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Keiner wird weinen

Keiner wird weinen

Titel: Keiner wird weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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beide erledigt?«
    »Tja, vermutlich.« Uwarow zuckte die Achseln. »Vielleicht wollte dein Kljatwa dir ja etwas über diesen Karatemeister erzählen?
     Vielleicht war der bei ihm auf dem Friedhof. Einer seiner gewichtigen alten Bekannten, einer, nach dem gefahndet wird.«
    »Weißt du was, Goscha, fahr mal auf den Friedhof, aber schnell!« Uwarow leckte sich nervös die Lippen. »Weißt du, wo das Grab
     von Sachar ist? Sieh mal nach, ob da vielleicht frische Blumen stehen.«
     
    Uwarow und Malzew hatten einmal in einer Sondereinsatzgruppe zusammengearbeitet, die sich von den ersten Einbrüchen an mit
     Skwosnjaks Bande befaßte. Diese Einbrüche hatten von Anfang an eine ungewöhnliche, untypische Handschrift offenbart. Grob
     gesagt: Die Menge der Beute stand in keinem Verhältnis zur Brutalität und Professionalität der Täter.
    Die Wohnungen, die sie auswählten, zeichneten sich nicht durch besonderen Reichtum aus, es gab darin ganz offenkundig keine
     Geheimverstecke mit Dollarpacken, keine Antiquitäten, keinen vererbten Brillantschmuck. Die Opfer starben wegen einer Handvoll
     Null-acht-fünfzehn-Schmuck, geringer Geldsummen und was sich sonst noch in einem mäßig begüterten Durchschnittshaushalt fand.
    Zugleich war klar: Die Bande arbeitete professionell, wahrte eine eiserne Disziplin und hatte einen klugen Anführer. Jungs
     von solchem Format hätten auch Größeres bewältigt. Warum versuchten sie sich nicht an reicheren Wohnungen? Wollten sie nur
     wenig, aber das schnell? So handelten entweder Drogensüchtige, die für eine Portion Stoff zu allem bereit sind, oder Irre,
     die an der Tat selbst Spaß haben.
    Später stellte sich heraus, daß es in der Bande keinen einzigen Drogensüchtigen gab. Das heißt, anfangs schon, einen einzigen,
     aber als das herauskam, erledigte der Boß ihn umgehend. Mit bloßen Händen, vor den Augen der anderen – als Lehre, damit so
     etwas nicht einriß. Einen anderen beseitigte er, weil er die eigenen Leute bestohlen hatte. Außerdem kam heraus, daß sie Durchschnittswohnungen
     auswählten, weil das schneller ging und ungefährlicher war. Der Anführer war äußerst vorsichtig, er bedachte im voraus diverse
     Unwägbarkeiten. Bei Wohnungen mit Stahltür und Alarmanlage gab es davon wesentlich mehr.
    Nach der Serie von Wohnungseinbrüchen stieg die Bande um auf Schutzgelderpressung und Schuldeneintreibung. Doch auch hier
     war Vorsicht oberstes Prinzip. Sie hätten sich größere Strukturen vornehmen können, doch das taten sie nicht, ihr Anführer
     achtete strikt darauf, daß sie nie den Interessen krimineller Autoritäten in die Quere kamen.
    »Lieber wenig, aber das garantiert, als viel, aber mit großem Risiko«, zitierten die verhafteten Komplizen ihren Anführer.
    Die Bande war bemüht, im stillen zu agieren, sie arbeitete mit niemandem zusammen und geriet mit niemandem in Konflikte, klug
     vermied sie Kompetenzstreitigkeiten, die in der komplizierten Welt der Kriminellen häufig vorkommen und oft blutig enden.
     Daran spürte man den Einfluß der alten Kriminellenschule, des Diebeskodex vergangener Zeiten. Mit einem Unterschied: Die Bande
     tötete sämtliche Zeugen, und das mit der Brutalität von Psychopathen.
    Der erste Verhaftete, Wadim Kaschin, Spitzname Kascha, packte fast sofort aus, obwohl man ihn nur zufällig und wegen eines
     ganz anderen Falles geschnappt hatte. Doch offenbar war irgend etwas in ihm gebrochen, oder die mit grauem Isolierband umwickelten
     Toten erschienen ihm nachts im Traum …
    Seine Aussagen lasen sich wie ein mehrbändiger Thriller. Er schilderte die Einbrüche und Morde ausführlich, plastisch und
     mit bitteren Tränen der Reue. Zugleich beteuerte er, nichts über den Anführer zu wissen. Andere weinten nicht, sondern beschuldigten
     sich gegenseitig. Inzwischen verbüßten sie alle langjährige Strafen in Lagern mit verschärften Haftbedingungen. Allerdings
     hatte keiner von ihnen die Todesstrafe bekommen. Man verschonte sie wegen ihres Anführers, denn den Mann mit dem Spitznamen
     Skwosnjak konnte niemand außer ihnen identifizieren.
    Die verhafteten Banditen wußten jedoch nichts über ihren Boß, weder Vor- noch Familiennamen noch sein Alter. Er nahm immer
     selbst Kontakt auf, kam und ging wie ein Gespenst.
    Und wie es sich für ein Gespenst gehört, besaß er keinerlei besondere Kennzeichen. Fingerabdrücke hatte er in den ausgeraubten
     Wohnungen nicht hinterlassen, und wenn doch, so waren sie bislang nicht zu

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