Keinesfalls Liebe (German Edition)
Gedanken an diesen Mann. Ich hatte ihn mir ganz, ganz anders vorgestellt – von seinem Albinismus einmal ganz abgesehen. Nicht ganz so gruselig. Nicht ganz so schön. Nicht ganz so hypnotisch. Daniel war auch hypnotisch, aber auf positive Weise.
„Jo?“
Ich schaute überrascht hoch, direkt in Daniels dunkelgrüne Augen. „Ja?“
„Geht es dir gut?“
„Ich weiß nicht“, erwiderte ich wahrheitsgemäß. Erst da fiel mir auf, dass wir unüblich weit voneinander weg standen für ein Gespräch. Für Leute, die sich kannten und vor allem für Leute, die mehrmals Sex miteinander gehabt hatten.
Daniel runzelte die Stirn. Er stand regungslos in der Eingangshalle und wirkte ein wenig unschlüssig. „Packst du’s?“
„Ich weiß nicht“, antwortete ich wieder. Meine Stimme hörte sich belegt an – ich konnte nicht glauben, dass er sich gerade ernsthaft besorgt nach meinem Befinden erkundigte.
Daniel lachte kurz, bitter, grimmig und leise. „Ich glaube nicht, dass es gut wäre, dich allein zu lassen.“
„Ich bin nicht allein“, flüsterte ich. „Sean und Celine sind da.“
Daniel runzelte wieder die Stirn. Und noch einmal an diesem Abend stand ich vor einem Mann, dem es schwerfiel, mir etwas zu sagen.
„Jo, wenn du Gesellschaft brauchst –“
„Wie gesagt, Sean und Celine sind da.“
„Wenn du reden willst, ich bin für dich –“
„Sean hat nicht nur ein offenes Ohr, sondern zwei, und das andauernd.“
„Wenn du mal raus musst, ich –“
„Sean hat ein tolles Auto.“
Der kurze Schmerz in seinen Augen irritierte mich.
„Jo, du bist mir doch nicht e... “
„Oh, ich muss die Einkäufe noch hochbringen.“ Ich ging an ihm vorbei, meine Stimme klang heiser. „Wir sehen uns.“
So schnell wie möglich rauschte ich in meine WG. Erst als ich hinter mir die Tür zumachte, realisierte ich, dass ich gerade kurz davor gewesen war, etwas von seiner Seele zu sehen. Und weil ich so, so, so sehr Angst davor hatte, dass er mich wieder verletzen könnte, hatte ich eigenhändig das Tor zu seiner Seele zugestoßen – in dem Moment, da es sich mir geöffnet hatte.
Mein Herz begann vor Schmerz zu brüllen.
In der Wohnung über mir polterte es. Mit brennenden Augen stapfte ich ins Wohnzimmer und fand Seans Zettel.
Hey Jo!
Celine schläft schon, und ich bin noch mal los zu einem Kumpel – noch einer mit Liebeskummer. So langsam glaube ich, dass ich mir auch mal jemanden suchen muss. Mir hängt das Single-Leben zum Hals raus.
Bis nachher!
Sean Ich seufzte, warf den Zettel weg, stellte die Tüte ab, hängte meinen Mantel an die Garderobe, öffnete den Kühlschrank, nahm das Hackfleisch aus der Tüte, schob es in den Kühlschrank, knallte die Tür zu und stürzte mich aus der Wohnung, auf den Flur, die Treppen hoch und vor Daniels Tür. Wie ein Ertrinkender, der eine Scheibe zerschlagen muss, um an Luft zu kommen, trommelte ich mit den Fäusten gegen die Tür.
Daniel öffnete. Und starrte mich an.
Überrascht.
Wütend.
Ängstlich.
Verletzt.
„Ich bin ein Idiot“, flüsterte ich. „Verzeih mir.“
Die Überraschung und die Wut verschwanden aus seinem dunkelgrünen Blick. Ängstlich, weil ich seine Seele gesehen hatte, und verletzt, weil ich sie zurückgedrängt hatte, starrte er mich an.
Dann breitete er die Arme aus.
Ich seufzte, als er mich umfing, und schmiegte mich an seine warme, breite Brust.
„Möchtest du deine Angebote noch mal wiederholen?“, flüsterte ich hoffnungsvoll und fast sterbend vor Angst, er könnte denken, ich hätte ihn mit Absicht verletzt.
Doch er wusste, warum ich es getan hatte. Das fühlte ich. Ein tonloses Lachen ließ seinen Körper vibrieren.
„Und den letzten Satz vielleicht zu Ende bringen?“, wisperte ich, hob eine Hand, um seinen Hemdkragen beiseitezuschieben, und hauchte einen Kuss auf seinen warmen Adamsapfel. Wieder vibrierte sein Körper, aber dieses Mal hörte ich ganz leise sein Lachen.
„Das lässt sich einrichten.“
„Warum zitterst du, Daniel?“
Jetzt klang er, als würde er die Zähne zusammenbeißen. „Wegen vielen Dingen. Wegen Michael Grey – oh Gott, wenn ich diesen Mann sehe oder von ihm höre, muss ich mich zusammenreißen, um nicht alles um mich herum zu zerstören. Zweitens – wegen dir. Weil du dich an mich schmiegst, wie dein toter Kater Larry und weil … weil …“
„Weil …?“
„Weil ich – weil es gut tut.“
„Was tut gut?“, wisperte ich, fuhr langsam damit fort, seinen Hals zu küssen.
„D-du. Dir nahe zu
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