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Keinmaerchen

Keinmaerchen

Titel: Keinmaerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Keil
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geschlossen. Ich könnte zurückgehen, sagt sie. Was würdest du dann tun?
    Dann geh, sagt er. Ich werde dich nicht aufhalten.
    Das könntest du auch nicht, sagt sie und ich glaube ihr. Aber sie will nicht zurück. Warum sollte sie das wollen?
    Er schüttelt sich. Ich muss gehen, sagt er.
    Ja, sagt sie, geh, dreh das Stundenglas. Die Räder drehen sich langsamer heute. Oder nicht? Was passiert, wenn sie stehenbleiben? Was passiert dann mit dir?
    Du solltest arbeiten, sagt er. Seine Stimme klingt wütend. Die Räder drehen sich, sie drehen sich immer schon und werden sich immer drehen.
    Sie sieht ihm nach und ich sehe das rohe Stück Holz an. Grob und plump in meiner Hand. Der Alb schreit auf, als ich ihn an die Wand schleudere.
    Warum tust du das?, fragt sie. Er war noch nicht fertig. Er wäre gut geworden.
    Nein, das wäre er nicht. Keiner von ihnen. Was macht er mit den Alben?, frage ich.
    Er braucht sie, sagt sie. Sie drehen die Räder. Ohne die Räder würde es zerfallen.
    Er lässt sie für sich arbeiten?, frage ich und sie lacht. Nein, sagt sie. Es ist die Angst, die die Räder antreibt. Emotionen, verstehst du? Liebe, Freude, Hoffnung. Aber Angst ist die stärkste.
    Die einzige, sage ich. Hier und auf der anderen Seite. Wann bist du hergekommen?
    Ich weiß nicht, sagt sie. Irgendwann war es morgen und ich war hier. Hier in diesem endlosen Tag.
    Endlos und weiß. Und immer das Gleiche. Aber es ist besser als gestern, sage ich. Es gibt keine Schatten.
    Oh doch, die gibt es, sagt sie. Was denkst du, was hinter den Strahlern ist? Nichts?
    Nichts. Ja, das dachte ich. Ihre Finger streichen über die Saiten. Sie spürt die Formen der Albe, sucht nach ihnen. Warst du dort?, frage ich. In den Schatten?
    Wir alle waren in den Schatten, sagt sie. Weißt du nicht mehr wie du hergekommen bist?
    Mit dem Zug, sage ich. Ich erinnere mich an das Quietschen der Bremsen, den Geruch des Dampfes.
    Und hast du ihn gesehen, deinen Zug?, fragt sie. Wie sah er aus?
    Was soll die Frage? Er war wirklich, sage ich. Er hat mich hergebracht.
    Schon gut, sagt sie. Schon gut.
    Nichts ist gut, sage ich. Gar nichts.
    Natürlich nicht, sagt sie, sonst wärst du nicht hier. Und ich auch nicht. Sie setzt den Bogen an und spielt ein paar lange tiefe Töne. Ich spüre die Angst in meinem Magen, auf meiner Haut.
    Wirst du ihm die Albe geben?, frage ich.
    Vielleicht, sagt sie. Sie sind stark.
    Sie sind wundervoll, sage ich. Einzigartig. Die besten die ich je gesehen habe.
    Du hast noch nicht viel gesehen, wie mir scheint. Sie schüttelt den Kopf. Ihr Haar war mal rot, ich kann die Farbe erahnen. Selbst die Strahler schaffen es nicht, es vollständig zu entfärben.
    Das Holz schmiegt sich in meine Handfläche. Die Angst pulsiert in seinem Schädel. Und dort schlägt auch sein Herz. Gleichmäßig und kräftig. Das Messer bewegt sich im Takt mit ihrem Bogen, der sachte über die Saiten streicht. Die Albe setzen sich zusammen wie Puzzleteile. Verirrte Bruchstücke, die sich finden und verschmelzen. Ich kann die Augen nicht abwenden, auch wenn irgendetwas das Bild verwässert.
    Mach weiter, sagt sie. Mach den Alb fertig. Du kannst hierbleiben, wenn du willst, aber sei leise. Sie schließt die Augen und ich schließe meine.
     
    #
    Wo warst du?, fragt sie. Alice. Alice, mit den Marmorhänden. Sie pustet den Staub von ihren Fingern. An ihrem Daumen trocknet Blut.
    Nirgendwo, sage ich.
    Der Alb strafft die Schultern, spannt die Muskeln an. Seine Zähne mahlen und knirschen. Sie hat die Flügel ausgespart. Gut gemacht, sage ich.
    Ja, sagt sie. Aber ich muss ihm seine Flügel geben. Er braucht sie. Vielleicht kann er – Sie berührt seine Augen, die hohen Wangenknochen, das spitze Kinn. Als sehe sie ihn mit den Händen an.
    Was?, frage ich.
    Nichts, sagt sie. Nichts. Er wird ihn holen, wie all die anderen. Warum machen wir das? Und warum sind wir hier?
    Was sollten wir denn sonst tun?, frage ich. Und wo sollten wir sonst sein? Wo und wann. Aber das sage ich nicht. Wird das immer so weitergehen? Immer und immer? Der Alb zappelt in meiner Hosentasche. Ich weiß nicht wie, aber er war plötzlich fertig. Genau mit dem letzten Ton. Er ist kleiner als ich dachte. Mit großen Augen und kräftigen Armen. Er klammert sich an meinen Fingern fest. Seine Flügel schlagen aufgeregt.
    Er ist wunderschön, sagt sie. Du könntest ihn fliegen lassen.
    Das könnte ich. Aber warum sollte ich das tun?
    Warum?, fragt sie. Sie sieht meinen Alb an und ihren, den Hammer in ihrer

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