Keks & Drugs & Rock 'n' Roll
begeistert. „Jaa Charley, verdammt gut Mann!“ Und Charley befingert die Tasten weiter, begleitet von Grimassen, als würde er sagen, „Äh, bloß Kikifax...“
Ein Mulatte steht neben mir im Trainingsanzug und lacht nach einem Bluessolo laut auf. Haha. Ich auch, und beim Lächeln treffen sich unsere Augen. Einfach natürliche Reflexe, der Mensch will doch immer teilen, was er schön findet.
„Mann isses gut! Nicht war?! Haha...“ ruft er begeistert.
„Vom Feinsten ”, antworte ich mit vollem Oberkörper.
„Das lieb ich an dieser Stadt“ setzt er fort. „Es gibt kein’ bessren Platz inne Welt.“
Sein Gesicht strahlt vor Seeligkeit, als er mit der Tüte Chicorée unter dem Arm weitergeht.
Ich sattle auch auf den nächsten Musiker um. Ein Schwarzer Kerl mit schwarzer Wollmütze spielt weltbekannte Jazzmelodien auf einer Klarinette. Ich vergesse völlig, dass ich vor zweieinhalb Stunden zu einer Suppenküche gehen wollte, um zu frühstücken. Aber wo! Vielleicht schaffe ich es bis zum Mittag dorthin. Es fällt mir schwer, mich von diesem bunt pulsierenden lockeren Treiben zu trennen.
Umso einfacher trenne ich mich von der Hälfte meines heutigen Verdienstes. Ich mammse billige Kiwis und Avocados mit meinem Plastelöffel und hole die selbst gepflückten Feigen von gestern heraus. Sie mögen anscheinend kein Kopfkissen spielen, denn sie wurden völlig matschig unter meinem Kopf in der Nacht. Ein Glück, dass die Plastetüte dicht ist und den Brei noch drinnen behalten hat. Hmm, paradiesische Zustände! Mein Magen will seinen Eingeweiden nicht glauben, was er für feine Sachen bekommt. Die Außenwelt hört, samt den mir zulächelnden Menschen, zu existieren auf. Es verschwinden die herumstreifenden Obdachlosen mit ihren Lumpen, auch der chinesische Verkäufer und der mexikanische Farmer, alle. Nur noch Geschmäcker und Sonnenlicht. Wenn ich je ein Herz-Seelen-Mensch war, mutiere ich jetzt zu einem Magen-Seelen-Menschen. Die Photosynthese der Sonne lässt jedes einzelne Aroma sofort in Energie umwandeln, und meine Beine ziehen mich schon wieder durch die Straßen, auf und ab.
Tschüß Markt, mein Motor ist aufgezogen und meine Beine schleudern mich durch Friscos Straßen. Meine rechte Turnschuhsohle hat aber schon ein solch großes Loch, dass die Wasserblase immer größer und unerträglicher wird. „Blödmann! Kaufste die Mokassins und lässt sie im Rucksack.“ Also, runter zum Bahnhof. Ich kann nur noch auf der Außenfußkante laufen, aber das heißt noch lange nicht, dass ich den aller kürzesten Weg nehmen würde. Nein, nein, ich pirsche im großen Zick-Zack, mal rechts, mal links die Straßen runter, zu meinen erlösenden Mokassins.
Aber sie haben solch dünne Sohlen, dass mir nicht mal die, aus den Turnschuhen herausgerissenen Schaumstoff-Sohleneinlagen helfen. Ich spüre durch meine eiergroße Wasserblase jedes Steinchen unter meiner Sohle. Ich hole aus einem Müllhaufen einen Pappkarton und schneide ein Paar Design-Einlegesohlen mit meinem Taschenmesser heraus. So ist es schon viel besser. Mein Stadtrucksack ist auch leichter - ich habe den Schlafsack und die warmen Klamotten in der Gepäckaufbewahrung abgegeben. Wozu soll ich sie mitschleppen, ich kann meinen Rucksack jeder Zeit für fünf Minuten mal herausnehmen, alles umgruppieren, und wieder abgeben. Es ist einerlei, kostet mich so oder so einen Dollar am Tag.
Derweilen kann ich mein Mittagessen vergessen, denn ich schaffe es nicht mehr bis zu der Suppenküche in der Jones Street , wie ich es geplant habe. Ich setze mich in ein McDonald’s, um einen Kakao zu meiner Nusskremstulle zu trinken, schreibe dabei eine Postkarte und lächle zu dem
netten Typ
hinüber. Als ich dann hinausgehe, kommt er mir hinterher.
„Ich seh, mein Kumpel, du schreibst einen Brief. Für weit weg?“
Ich halte die Karte unter seine Nase.
„Oh, du bist Europäer?“ sagt er anerkennend. „Wie viel Geld haste, dass du so einfach rumreist?“
„Nuun... Nicht viel.“
Er beruhigt mich schnell: „Nein, nicht dass du denkst, ich will von dir Geld haben. Aber es kann sein, dass ich für dich eine Arbeit habe. Möchtest du Geld verdienen?“
„Nun,... das hängt davon ab. Ich mag keine illegale n Sachen.“
„Was denks t du, das ist absolute legal!“
„Oh ja, dann sag’s.“
„Hör zu! Ich arbeite bei der Eisenbahn, zwischen Frisco und L. A., und ich brauche jemanden, der mir hilft die Waggons zu putzen. Wir fahren abends los und kommen am
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