Keks & Drugs & Rock 'n' Roll
Sterne sind schon draußen auf dem tiefblauen Hintergrund. Satelliten bahnen sich ihre Routen zwischen den silbernen Punkten. Ich wickle mich in die Überlebensdecke von Robert und falle in einen angenehmen Schlaf.
Ich träume, dass ich friere. Da spüre ich, dass meine Frau sich an mich heranschmiegt und wunderschön aufwärmt. Ich überlege: Ist das ein Traum oder Wahrheit? Ich werde wach; und sie liegt tatsächlich neben mir! Oh, ist es schön, dann träume ich doch nicht. Wir unterhalten uns sogar. Ich frage sie, wie sie plötzlich hierher kommt. Sie sagt, das wäre egal. „Hauptsache ist, dass ich hier bin.“ Natürlich. Ich lasse es erstmal dabei. Wir liegen neben einander, sie legt ihren Kopf an meine Brust. Ich überlege es erneut. Moment mal, wie war das doch? Gestern war ich noch in Arizona, und sie in Europa. Wo haben wir uns denn getroffen? Wie kommen wir hierher? Und überhaupt, wo sind wir? Ich konzentriere mich aus voller Kraft. Das Ergebnis: Ich werde total wach. Und sie? Nirgendwo! Ich liege alleine unter dem Baum. Ach, ich hau mir gleich einen!
„Blödmann! Musst du unbedingt alles mit deiner beschissenen Logik erklären?! Warum lässt du nicht deine Gefühle frei herumschwärmen?“
Ich schlafe schnell wieder ein, in der Hoffnung, dass ich den Traum von der zweiten Ebene wieder einfangen kann... Aber, alles vergebens.
Da werde ich plötzlich von merkwürdigen Stimmen geweckt. Gejaule in der Nacht. Ich taste nach meinem Messer in dem Schlafsack und spitze meine Ohren. Langsam ordne ich es ein: Es singen Kojoten. Ach, die tun einem nichts. Ich entspanne mich wieder und genieße den Gesang des Rudels. Sie müssen ziemlich in der Nähe sein, auf der anderen Seite der Landstraße. Aber gute Freunde tun einander nichts an...
Umso unangenehmer ist das Aufwachen am Morgen. Das Gras ist rundum mit Reif überzogen und es fliegen Schneeflocken in der Luft. Nun, der November hat begonnen und verheißt nichts Gutes. Ich habe kaum Zeit meine Sachen zusammen zu packen und die Riesenstiefel anzuziehen, da beginnt es zu regnen. Schnee und Regen gleichzeitig. Es wird immer wilder und wässriger. Der Regen kommt richtig waagerecht von Osten. Mein Regenponcho hilft auch nicht, der Wind reißt ihn andauernd herunter. Drei Stunden lang kämpfe ich mich auf der Straße hinauf nach Norden durch. Und siehe Wunder! Ich marschiere aus dem Regen, der hinter meinem Rücken mit ununterbrochener Heftigkeit weiter tobt, hinaus...
Die wenigen Autos fahren unbekümmert an mir vorbei, keiner möchte mir, dem zur Undefinierbarkeit durchnässten Typen, einen Lift geben. An einem endlich sonnengewärmten Platz denke ich schon, dass ich hier Wurzel schlagen werde, als ein großes Wohnmobil mit einem langen Bremsweg anhält. Eine nette Frau, um die vierzig, öffnet die Tür und winkt mir beruhigend zu, dass ich nicht so hastig sein soll, sie warten doch bis ich hintrottele. Ich bekomme den bequemsten Campingstuhl und etwas zum knabbern. Es sind noch zwei Männer an Bord und es dauert einen Augenblick, bis ich die Verhältnisse verstehe. Aha, also nicht der ältere Mann Michael, sondern der viel jüngere, Vèlve ist Bhaktas Partner. Michael ist ein gemeinsamer Freund von den beiden, und sie werden jetzt einige Monate zusammen unterwegs sein. Einfach herumfahren. Unsere Programme sind ähnlich: Sie wollen auch in
den Grand Canyon.
„Wir schauen ihn an, fahren dann weiter nach Las Vegas“ sagt Bhakta.
Vèlve ist ein guter Fahrer. Wir gleiten über leichte Steigungen hinweg, bis sich die Landschaft vor uns zu einer Ebene glättet. Ich warte auf die hohen Felswände. Aber die kommen nicht. Natürlich kommen sie nicht. Wir halten an einem Aussichtspunkt an und blicken in die Tiefe. Die Felsen rennen tief, tief nach unten. Klar, wir sind doch über zweitausend Meter auf dem Hochplateau.
Hinter dem Schutzgeländer reißt plötzlich der Boden ab und rennt mit einem furchtbaren Riss in die Tiefe, wo er als ein weniger steiler graugrüner Hang ein Stück weiter gleitet, dann stürzt er endgültig mit einer scharfen Kante in die dunkle, bizarre Schlucht. Das Unten ist so weit weg, dass ich die zerstreuten Bäume dort nur noch für Grasbatzen sehe. Ich weiß aber, dass es Bäume sind, weil die grünen Flecken unter unseren Füßen noch eindeutig Pinien sind, allmählich wirken sie nur je tiefer umso kleiner.
Es ragen Felsentürme und Spitzen in allen Farben und Formen aus der Landschaft gen Himmel. Ganz unten, in den untersten
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