Keks & Drugs & Rock 'n' Roll
brauchen.“ Aber er will von mir eine lindernde Antwort. Nun betrachtet er mich nicht mehr so mit Mitleid. Mein Seelengelaber hatte seine Wirkung nicht verfehlt. (Warum bin ich bloß nicht als Sektenführer geboren! Wäre eine Leichtigkeit all die zitternden Seelen und enttäuschten Menschen einzusammeln. Einfach: du gehst aufs Feld, mähst einen Haufen Stroh und drückst jedem ein Strohhalm in die Hand. Diejenigen, die den annehmen, hängen schon dran, wie an der Nabelschnur, durch die du ihnen allen Brei der Welt verabreichen kannst.) Ich hämmere ihm noch einmal ein, dass, wenn er sich schon als ein Mann wie Humphrey Bogart fühlt, soll er es bei einer Frau beweisen... (Ich rede mit Leichtigkeit, als würde er schon an meinem Strohhalm hängen, aber das tue ich aus reinem Herzen und anscheinend ist das genau das, was er braucht.)
Die letzten Vororte von New Orleans ziehen derweilen an uns vorbei. Nur noch Wälder und Wi esen säumen die Straße.
Die Sonne scheint wunderbarer Weise auf mich, als ich aussteige, um selber Teil des straßensäumenden Bildes zu werden.
Die Fahrer sind irgendwie ganz anders hierzugegen. Oder irgendwas stimmt mit mir nicht. Meine gewöhnliche Gestikulation zeigt keine Wirkung. Ich entdecke, dass die Bewegung wichtiger ist, als der Blickkontakt. Also, nicht die Augen der Fahrer suchen, wie sonst... So gelingt es endlich nach einem kürzeren, einen ganz langen Ritt zu erwischen.
Der untersetzte blonde Bursche will bis Florida durchfahren. Ein Stück kann er mich mitnehmen - aber bis nach Florida? Das werden wir noch sehen. Meint er. Zwanzig Minuten und wir sind in Mississippi. Bald halten wir an einer Raststädte an.
Frank hat wahnsi nnigen Hunger.
„Nachts um halbeins bin ich oben in Nord Mississippi losgefahren und hab nur einmal zum Frühstück a ngehalten.“
Im Restaurant geht er in den Waschraum und ich bestelle mir einen Kakao. Als er zurückkommt und sich auch einen großen Kakao und einen Haufen zum Essen bestellt, ist mir sicher, dass er länger braucht. So kann ich mich, mit Zahnbürste und Handtuch bewaffnet, ruhig waschen gehen. Hatte seit einem ganzen Tag kein Wasser mehr gesehen...
Ich stelle mich ordnungsgemäß vors Handwaschbecken und will mich waschen, aber vorher mal einen Blick in den Spiegel. Hey! Wer ist der Rotkopf da mir gegenüber?! Aber das ist kein Trick. Der Typ da gegenüber ist ich, oder bin ich. Weiß nicht, aber ich erschrecke. Jetzt realisiere ich es erst: mein Gesicht ist voller roter Beulen. Tausende! Keine Übertreibung, tausende Mückenstiche leuchten auf meinem rot aufgedunsenen Gesicht. Alles rot übertüncht. Ich kann es nicht fassen. Das ist doch unmöglich! Mein ganzes Gesicht! Ich versuche an meiner zur Kartoffel verformter Nase die Stiche zu zählen, aber nach sechzig an einer Seite gebe ich es auf. Das kann doch nicht wahr sein! Wie sehe ich denn aus? Blöde Mücken! Eine ganze Kolonne hat sich an mir satt gefressen. Wozu brauchten sie gerade mein Blut? Bestimmt eine Universität gegründet. Mückenuniversität aus meinem Blut!.. Aber zum Teufel, wieso bin ich nicht wach geworden? Die zwei Typen, die durch das Gras gingen, hatten mich geweckt, obwohl sie lautlos waren. Wieso nicht der Ansturm der Mücken? Sehr merkwürdig. Jetzt verstehe ich auch die Autofahrer heute. Ich habe sie alle nur erschreckt. Das wundert mich gar nicht, schließlich hatte mich eben der Rotbeulenkopf im Spiegel selbst erschreckt. Oh, Scheiße! Ich drehe gleich durch. Lasse meine Zahnbürste und alles im Waschraum und renne hinaus, zurück ins Restaurant. Frank sitzt seelenruhig über seiner Bohnensuppe. Ich falle gleich über ihn her:
„Hey, sag mal! Wieso haste mir nicht Bescheid gesagt, wie ich aussehe? Ich trampe den ganzen Tag und keiner sagt mir, wie ich au ssehe!“
Er schaut mich völlig verwirrt an.
„Wieso? Wie siehste denn aus?“
„Mein roter Kopf doch. Siehst du denn nicht, wie rot mein Kopf ist!? Warum haste mir nichts gesagt?“
„Ich versteh dich nicht“ sagt er. „Was ist mit deinem roten Kopf?“
„Weist du, mein Kopf ist nicht rot“ sage ich aufgeregt. Er versteht aber Bahnhof.
„ Versteh ich nicht. Was soll das, dein Kopf ist rot, dein Kopf ist nicht rot?“
Oh weier, ich sehe, ich verwirre nur noch alles, sogar mich selbst. Also ich versuche mich zu fangen und die Geschichte von vorn a nzufangen.
„Hör zu! Normalerweise ist mein Gesicht nicht so rot. Die Mücken hatten mich heut Nacht attackiert. Verstehst du? Deswegen
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