Keks & Drugs & Rock 'n' Roll
versteht, weder die schwarzen oder weißen Angestellten in ihren eleganten Anzügen, noch die Studenten, noch das Mädchen in New-Wawe-Klamotten mit dem angenehmen Gesicht, noch die jungen und alten Penner oder die Frau mit dem schönen Busen, die lächelnd herüberschaut, noch der Polizist, der wie ein Denkmal dasteht, aber lustig und genussvoll oder ich, der so tut, als würde mich die Sexbombe und das blauäugige Mädel kaltlassen. Trotzdem sind wir alle in dieser Musik; die quengelnden Autos, Wolkenkratzer, Restaurants, Banken und sogar unsere Träume. Und dennoch fehlt etwas: Der weiße Engel der Ghettos! Kein Ton erwähnt ihn, als würde es ihn gar nicht geben, als wenn ihn die geschickt klimpernde Gitarre bewusst verschweigen würde. „Ta-Dam Datta Datta-Dam denk nicht an die Ghettos!“ knirschen die Saxophone, „hier sprudelt das Leben, hier an der Quelle des Lebens, dies ist der einzige freie Ort des Lebens, wo du frei bist, wo du machen kannst, was du willst. Komm genieße die Freiheit und zahle in den Hut! Für dich ist die Musik, aber wenn du nicht wenigstens einen ‘Quarter’ rausrückst, brauchst du hier nicht rumzustehen, verpiss dich! Beamte! Schwule! Touristen! Nutten! Meine Damen und Herren! Das ist New York City , die Hauptstadt der Welt. Hört wie wunderschön diese Musik ist, wir rennen und rasen!“ „Das Geld aber schaffen wir auf die Bank“, brummt die Bassgitarre. „Ghetto? Was für ‘n Ghetto? Harlem, Bronx was is n das? Aber bitte, New York City beginnt am Broadway und endet auf meinem Bankkonto“, kichern die Saxophone. „Ta-Dam Datta Datta-Dam“, die Band ist zusammen, die Stadt ist zusammen, die Staaten sind zusammen, alles OK. Und jeder kann einsteigen, ein Dollar ist der Eintritt und wir jetten sofort los. „Das ist hier New York City! Wasbitteschön, auch an den anderen Ecken und an tausend anderen Ecken ist New York City?! Mach halblang! Mich interessiert nicht deine Meinung, nur dein Geld, verstehst du, Geld! Was kriegst du denn für deine Meinung, höchstens was in die Fresse, aber für Geld ALLES !“ klugscheißern die Saxophone. „Bankkonten, Bankkonten“ kontert der Bass. „Ghetto, Ghetto“ dröhnt der Drum, aber: „Scheck, Scheck“ zischen die Becken“. „Zappzerapp“ brüllt vereint die ganze Band, und das Publikum hat einen Abgang. Ein Saxophonspieler drückt jedem, der herumstehenden den Hut unter die Nase. Alle bezahlen, und ich denke, dass der gute alte Freud sich jetzt freuen würde, wenn er hier seine Psychoanalyse machen könnte. Aber vielleicht würde er selber auch nur mit den Händen in der Tasche dastehen und sich im Rhythmus der Musik bewegen und sich einen ablachen. Der Hut ist schon unter meiner Nase, in seinem Bauch sind Münzen und Scheine voll zerknitterter Zufriedenheit. Was für ein schöner Hut! Dunkelgrün! Ein Haufen Geld drinnen, denke ich und schüttele den Kopf. Der Saxophonspieler nimmt sich meinen Nebenmann vor und fängt an, ihn vollzulappen; wenn er zu geizig sei zu bezahlen, soll er hier nicht rumstehen, sondern sich verpissen. Der Gentleman beharrt darauf, dass er schon in der Vorrunde etwas bezahlt hätte und bleibt trotzig stehen, aber die Musik kann er nicht mehr genießen. Schließlich stiehlt er sich verärgert davon. Der Saxophonspieler schüttet den Erlös in das Gitarrenetui, die Musik brüllt und pfeift immer weiter entfernt in meinem Rücken.
Das muss ich erstmal verdauen mit einem Luxuslunch. In der nächsten „Salat Bar“ kaufe ich mir eine Kiwi- Bohnen- Reis- Ei- Grünsalat- Karotten- und noch was das Zeug hält Vitaminbombe. Drei neunzig! Aber Schwamm drüber, man muss den Vitaminmangel ausgleichen, nichtwahr? Also Salat in Plasteschüssel, die Sonne strahlt fröhliche Wärme. Ab in den „Central Park“! Ich setze mich ins Gras und falle sogleich über die Schüssel her. Mein Magen kann sich kaum mehr halten und übernimmt die Regie. Ein Riesenfraß mit dermaßen Wonne! Magenorgie! Aber inmitten des Tobens meiner Eingeweide ruft eine leise Stimme irgendwo in meinem Kopf: „Pass auf!“ Ich blicke auf und: Der „Frankenstein-Typ“ von vorgestern steht wie ein gebücktes Tier neben einem Baum und stiert. Aber nicht auf mich, sondern auf das Essen. Er kommt näher und glotzt auf meine Salatschüssel, als ob es mich gar nicht gäbe. Ich muss ihn intensiv böse anschauen, damit er, so zehn Schritte entfernt, stehen bleibt. Jetzt, wo die Sonne scheint, ist seine Figur noch erschreckender als damals bei
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