Keks & Drugs & Rock 'n' Roll
gehabt, stand am Straßenrand und spielte den Blues. Der dünn stotternde Verkehr scherte sich einen Auspuff um mich. So vergingen eine gute Stunde und meine gute Laune. Ich begann erneut mit vollem Einsatz zu trampen. Aber, Nix. Ich malte auf ein großes Papier: „PLEASE“! befestigte es an dem Meilenstein vor mir, gestikulierte heftig und zeigte auf das Blatt, damit sie wüssten, wie dankbar ich wäre. Aber, nie wieder! Das hat sie nur abgeschreckt. Ich sah nach einer Weile ein, die Fahrer meinten, es wäre ein Trick um irgendjemanden irgendwie reinzulegen. Papier weg!
Kaum begann ich sie mit Händen und Füßen nur auf mich aufmerksam zu machen - nicht auf meine Dankbarkeit und auf ein Stück Papier, das egal, was drauf steht, unpersönlich ist -, zogen sich die ersten Bremsspuren auf der Parkspur neben meinem Rucksack. Und zwar von einer schwarz glänzenden eleganten Limousine.
Ich bin dem Captain dieser schönen Limousine sehr dankbar. Nicht nur weil er mich mitnimmt, viel eher für die Erkenntnis, die ich durch ihn habe, dass auch Geschäftsmänner in gestylten dunklen Anzügen sehr unmittelbar und locker sein können. Ja, Lerry ist völlig aufgeschlossen und neugierig auf meine Amerikaerfahrungen. Während wir nach Wyoming rollen, schwärmen wir beide über Mount Rushmore.
„Der alte Bolgrum hat aus der Natur nur das Beste, was drinnen steckt, rausgeholt, ohne sie zu vergewaltigen“ sch ießen die Lobsalven aus meiner unversiegbar sprudelnden Begeisterungsquelle, als ich erfahre, dass er eigentlich die ‘Vier Typen’ noch nie gesehen hatte.
Er verspr icht mir, sie endlich selber anzuschauen. „Du wirst es nicht glauben“ sagt er, „ich lebe schon seit sieben Jahren hier in Wyoming und hatte noch keine Zeit, um zum Mount Rushmore zu fahren. Du weißt, wir Amerikaner leben nach dem Gesetz des Geschäfts. Alle, sogar die Politiker tanzen nach der Musik des Geschäfts. Wenn man daran verdient, dass die Russen unsere Feinde sind, dann bleiben die auch unsere Feinde. Wiederum, wenn das Geld bringt, dass sie unsere Freunde sind, dann werden sie hochgelobt. Das ist hier wohlbekannt. Schau“, guckt er in meine Augen - er hat die selbe braune Augenfarbe wie ich - und er lässt, um seine Hände für einige Augenblicke zu öffnen, das Lenkrad los, „meinetwegen können die Politiker machen, was sie wollen, bloß mich sollen sie in Ruhe lassen. Mein Eigentum und meine persönliche Freiheit dürfen sie nicht anrühren. Das ist das, was ein Amerikaner nie zulässt.“
„Klar... Versteh’ ich...“ Freiheit für alle. Freiheit auch für die Politiker, sicherlich auch für das Business... Unser Abschied bei Sundance steht völlig unter dem Motto: Freiheit.
Tja, grübelnd stehe ich am Straßenrand: Die Freiheit der griechischen Philosophen war damals, auf den Marktplatz zu gehen um sich mit allen möglichen Leuten frei anzulegen. Da der Markt heute allgegenwärtig ist, müssten die Ideologienmacher unserer Zeit eigentlich auf die Landstraße, um sich mit der Realität zu überwerfen.
Merkwürdig: Kaum sind wir in Wyoming, hat sich die Landschaft verändert. Die gelblich wellende grasbewachsene, hügelige Prärie von South Dakota ist sandigen, felsigen Bergen gewichen und anstatt Lerrys neuen Schlittens, nach einem kurzen Daumenswing in der Luft, steht jetzt Brownys alter Ford vor mir. Vielleicht ist es ein Chevy... Wurscht, er ist weinrot und rollt.
Browny fährt, obwohl er ganz schön zugekifft ist, oder gerade deswegen, ganz gut. Aber er redet nur in halben abgespeckten, schwer gesprochenen Sätzen, als würde er jedes Wort verbleien wollen. „Rolled Paper“ möchte er von mir und ist sehr enttäuscht, dass ich keins habe. Seine sind schon längst alle, so greift er zur Not zu seiner letzten Bierdose, zischt und erzählt mit Stolz und voller Zufriedenheit, dass er mit seinem Job sehr gut verdiene. Er sei zwanzig Jahre alt und in nüchternem Zustand Zimmermann.
„Ein guter Beruf jetzt. Sogar hundert Piepen am Tag!“
„Das ist gut“ stimme ich zu „und wie viel Stunden machste am Tag?“
„So, um die vierzehn-sechzehn Stunden...“
„Es ist Wahnsinn Mann! sechzehn...“
„...aber s lohnt sich. Haufen Arbeit, Haufen Kohle! Mein Bruder und ich, wir bauen Häuser. Alles machen wir selber. Fünftausend Dollar bringt ein Haus.“ Er kratzt die Kippenreste aus dem Aschenbecher zusammen und dreht sich einen Notjoint. Derweil lässt er mal das Lenkrad los, mal tippt er es kurz an.
Ich kann
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