Keks & Drugs & Rock 'n' Roll
Strecke stehen, aber da jagt mich der kalte Wind weiter. Zwischen den windgeschützten Hügeln fühle ich mich schon wesentlich besser aufgehoben. Merkwürdigerweise sind diese Stellen ausnahmslos in Kurven. Und wer hält schon in einer Kurve an? Am Ende lande ich abermals, obwohl ich mit wechselndem Daumen geschwungen habe, mit abgefrorenen Händen im McDonald’s von vor x-Tagen. Ein heißer Tee und zurück in die windrasierten Hügel.
Endlich, bevor das Tramperblut in mir gefriert, hält ein Truck mit fürchterlichem Gequietsche an.
Frank heizt seine Fahrerkabine dermaßen, dass meine Hände von der raschen Temperaturänderung weh tun.
„Trink einen heißen Kaffee! Das tut Wunder“ er reicht mir seine Thermoskanne. Ich trinke gewöhnlich keinen Kaffee. Aber man soll seine Gewohnheiten vergessen, wenn man auf die Straße geht. Und die Koffeinbombe wirkt phantastisch. „Ein tolles Land“ meint er. „Hier kommen alle Leute von irgendwo her. Ich wohne in Nord Dakota, und bin Deutscher.“
„Wunderbar, dann können wir auch Deutsch reden.“
„Oh, ich kann nur ‘Good Morgen’ auf Deutsch sagen. Aber mein Großvater spricht es sehr gut. Er ist in Deutschland geboren.“ Das Radio dudelt angenehme alte Hits. „Und seit wann lebst du hier?“
„Seit zwei Monaten. Du meinst wegen meines Akzents?“
„Was, zwei Monaten?“ Er dreht das Radio leiser. „Sag’s ruhig, wenn dich die Musik stört.“
„Nein, nein, las es ruhig, ich mag die alten Cream Songs.“
„Waas?! Du kennst die?“
„Ich bin mit solcher Musik groß geworden.“
„Jaa? Esis riesig Mann!“ ruft er voller Begeisterung. Dann schüttelt er nachdenklich seinen Kopf. „Diese verrückte Feindspielerei... das machen nur die Politiker, überall, hier und dort. Aber ich glaube ihnen nicht … Die sagen, die müssen uns verteidigen, deswegen sind amerikanische Soldaten in ganz fernen Ländern. Ich würde überall den Rock’n’Roll hinschicken, dass die Leute Amerika kennen lernen.“
„Aber die Cream, das sind doch Engländer!“
„Ach, jaaa? … Hmm…“
Wir surren auf der bequemen vierspurigen Straße durch die schneeverwehte Prärie , und vor uns gibt es nichts, außer dem grauen Streifen der Straße, der sich zwischen den Hügeln verliert. Um uns gibt es noch weniger. Mir nimmt die angenehme Wärme all meine Plagen und Überlegungen von vorhin. Ich war schon drauf und dran, meinen Plan: durch den Yellowstone zu trampen, aufzugeben, um gleich nach Süden zu ziehen.
„Aber sag mal“ fragt mich Frank, „bist du hier , um zu studieren? Hat dich der Staat geschickt?“
„Oh nein, der Staat hat mich nicht geschickt, aber wenn du es so willst, ist es eine Studienreise. Ich lerne Amerika auf der ‘Landstraßen Universität’ kennen. Meine Lektion heute ist: ‘Wie kann ich meinen Daumen in Wyoming abfrieren lassen?“
„Haha... das kannste gleich weiter üben, denn ich muss gleich an der Cherokee Trail abbiegen. Aber bleib hier bei der Abzweigung! Ich komme in einer Stunde aufm Rückweg wieder hier vorbei und, wenn du immer noch hier stehst, kann ich dich nach Gillette zurück bringen. Von unserer Firma fährt jemand heute noch nach Boise. Vielleicht bin ich es. Aber die anderen nehmen dich auch mit, wenn ich sie drum bitte.“
„Gut, dann halte bitte Ausschau nach mir, auf meiner Seite.“
„ OK, ich glaube, ich werde dort vorne vor dem Hügel stehen“ zeige ich auf den kleinen Hügel vor uns, der sich einen Steinwurf von dem Abzweig aus der Landschaft hebt.
Der Truck verschwindet langsam auf dem schmalen roten Schotterweg. Ich kann ihn schon nicht mehr sehen, aber sein Brummen schallt noch lange über die öde Landschaft.
Ijj, was für eine
ungastliche Gegend.
Weit weg von hier galoppiert eine Antilopenherde auf einem leichten Abhang. Aber der Anblick wärmt nur mein Herz. Meine Hände und mein Kopf frieren. Meine Ohren weigern sich an meinem Blutkreislauf teil zu nehmen, sie hissen die lila Fahne und rufen die Autonomie aus. Meine Mütze, die Helfershelferin, lässt jeden Windstoß durch. Ich muss leider weiterlaufen, bis ich endlich im Windschatten stehen kann. Ja, hier ist es angenehmer. Frank wird mich zwar auf seiner Rücktour nicht sehen können. Aber was soll’s.
Weit und breit, kein Auto. Ohne Rucksack steige ich auf den kleinen Hügel neben dem Fahrdamm hoch, doch viel mehr sehe ich von dort aus auch nicht. Nichts, nur Berge vor und hinter mir in der weiten Ferne, zwischen ihnen die
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