Keks & Drugs & Rock 'n' Roll
sich wie eine riesige Rose und schlingt die Natur und meine Worte mit seinen Kelchblättern in sich, dass ich fürchten muss, er zerplatzt noch.
Aus dem Radio berieselt uns Musik, die wir, wo wir nur können, mitsingen. „If you’ll be my bodyguard, I can call you long lost pal... taa-rap-tattam...“ singen wir mit Paul Simon und zeigen auf einander.
„Oh, wenn du wüsstest, wie dankbar ich für diese zwei Tage bin“ schwelgt Dave. „Es haben sich neue Dimensionen in mir aufgetan. Hier ist diese bezaubernde Natur und ich habe eine vollkommen neue Beziehung zu ihr. Ich spüre, wie alles bis in das Tiefste meiner Seele wirkt und mich selber besser zu verstehen lehrt. Es ist auch nicht von Ungefähr, dass ich dir begegnet bin. Ich spürte schon etwas Außergewöhnliches, als ich anhielt, um dich mitzunehmen.“
„Ah, außergewöhnlich?“ Grinse ich ihn an. „Man sieht einfach nicht jeden Tag einen Tramper mit abgefrorenen Ohren inmitten der Prärie. Außerdem hatte ich wahnsinnig gestikuliert. Kein Wunder, dass ich auffiel.“
„Das ist es! Das ist es! Exakt“ ruft er so, wie wenn einem ein Licht aufgeht. „Genau, es war in deiner Bewegung etwas, was viel mehr als Gestikulation ist. Dieses ausdruckvolle Etwas sagte mir plötzlich: ‘Halt an, nimm diesen Typ mit!’ Diese Begegnung ist keine gewöhnliche Begegnung mein Freund. Zwei menschliche Wesen griffen nacheinander, und wir haben jegliche kulturellen, politischen und religiösen Grenzen überschritten. Ist es nicht wunderbar, mein Freund!“
„Wunderbar! Aber, für mich ist das normal, wenn man auf Reise n ist, soll man keine Vorurteile haben und für alles offen sein. Sogar zu sich selber.“ Ich rede leicht und einfach, ohne jegliches Pathos. Aber, Dave scheint das meinem Akzent zuzuschreiben und ist weiterhin voller Feierlichkeit.
„Ja“ sagt er tief in sich gekehrt, „das sich selber öffnen ist der Sinn dieser Reise. Das ist das, was ich jetzt gelernt habe.“
Wir halten an einer Stelle, wo die großen Berge ihr Blau für Rotbraun eintauschen, an. Sie entspringen in greifbarer Nähe aus dem Boden und sind oben gleichfalls mit Schnee bepudert. An ihren Hängen klettern viele einzelne Kiefern so hoch sie können. Aber weit unter den Spitzen geben sie es auf und blicken auf die schneebedeckten Gletscher hoch. Wir steigen aus, damit die Natur sich in ihrer vollen Pracht „auf“ uns öffnen kann. Ich gehe zu einer Hecke, um mich wiederum in meiner vollen biologischen Unpracht auf sie zu öffnen...
Bei der großen Naturanbeterei macht mich eins stutzig; David holt nach dem Mittagessen eine kleine hölzerne Kiste heraus. Sie ist voll von kleinen fingerdicken Glasröhrchen. Es sind genau achtundvierzig Stück, und jede s von denen beinhaltet eine Flüssigkeit von verschiedenen Farben. Wie ein Taschenlaboratorium.
„Weißt du, drei Tropfen von diesem roten tun gut für die Verdauung... dieses hier, regt die Nieren an... dieses hier beruhigt die Bauchspeicheldrüse...“ undsoweiter. Er liest aus einer Tabelle, wann, wieviel und aus welchem Rohr sein Körper etwas zu seinem Wohle brauche. Diesmal bedeutet das; vier verschiedene Portionen, die er einnimmt.
David, David. Er will mir klar machen, wie wohlbekömmlich das wäre und, dass diese Tropfen aus Naturstoffen und auf natürliche Art gewonnen wurden. Okay, das Letztere glaube ich auch. Aber, dass sie auch mein Wohlbefinden verbessern könnten, gerade jetzt, als ich mich so bombastisch fühle, finde ich nicht einleuchtend. Er lässt sich jedoch nicht durch meine noch so heftige Rumprotzerei, von der schwachsinnigen Idee abbringen, dass gesunde Körper Pillen und Tropfen benötigen, um noch gesünder zu werden. Es wundert ihn zwar, dass ich ohne Regulierungsmittel sichtbar topfit bin, aber überzeugen lässt er sich nicht.
„Die beste Regulierung ist die Selbstregulierung. Ein bisschen Gymnastik, oder so was, täglich und es geht dir schon viel besser.“ Ich bin dermaßen stolz auf meine Gesundheit... aber es ist die Tatsache; es geht mir gut. Er akzeptiert es auch, aber das überzeugt ihn noch lange nicht.
So tuckern wir nach Jackson in das kleine, weitläufige Westernstädtchen, das sich zwischen kahlen, braunen Bergen eingenistet hatte. Nach einer halben Stunde Beinevertreten, sitzen wir schon wieder im Auto, und es wäre gut, mich zu entscheiden: wie weiter.
David will schnurgerade nach Portland, so entscheide ich mich, bis Pocatello mit ihm zu bleiben. Von dort aus kann ich dann
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