Kellerwelt
Räumlichkeiten jemals zu Gesicht zu bekommen. Er fragte sich,
womit er sich diese Ehre verdient hatte.
Die Antwort fiel ihm nur
einen Moment später ein: Er war hier, weil er seinen Auftrag erfüllt hatte.
Nicht die aktuelle Aufgabe, sondern die zurückliegende. Er hatte endlich diesen
Liliputaner entsorgt. Möglicherweise hatte ihn das Management hierher beordert,
damit er nun Bericht erstattete.
Beinahe sofort brach ihm der
Schweiß aus. Was sollte er dem Management berichten? Schließlich hatte er
diesen Kleinwüchsigen eher per Zufall aufgespürt - und dann noch nicht einmal
persönlich entsorgt. Sollte er dies etwa dem Management gegenüber einräumen?
Nein, auf keinen Fall! Nachdem es diesem Zwerg gelungen war, ihn zu
überrumpeln, durfte er sich nun keine Schlappe mehr leisten.
Doch er hatte keine Zeit,
eine Alibigeschichte auszuarbeiten. Das Management beobachtete ihn sicherlich,
so wie es alles und jeden hier beobachtete. Die Manager wussten genau, wo er
sich gerade befand und was er gerade tat. Also würde er improvisieren müssen.
Er setzte sich wieder in
Bewegung. Sein Selbstvertrauen schien auf der Türschwelle zu verharren und
traurig hinter ihm her zu schauen, anstatt ihm zu folgen.
Nein, er fühlte sich ganz
und gar nicht wohl bei dem Gedanken, mit dem Management zusammenzutreffen.
Genau genommen hatte er bis jetzt noch nicht einmal etwas von der Existenz des
Managements gewusst. Geahnt hatte er es, natürlich. Doch er hatte es nicht
gewusst. Und nun blieb ihm keine Zeit mehr, sich vorzubereiten.
Sein Bericht musste
lückenlos und schlüssig sein, soviel stand fest. Die Manager würden jeden noch
so kleinen Logikfehler sofort erkennen und ihn zur Rede stellen. Doch
möglicherweise konnte er das Management mit seinen Aktionen beeindrucken, die
er neben seiner Aufgabe gestartet hatte. Immerhin hatte er etliche Knochenkauer
gequält und entsorgt. Außerdem hatte er die gesamte Siedlung ausgelöscht. Die
Sache mit den Spinnen war schon ein Geniestreich gewesen.
Doch was wollte er sich
vormachen? Natürlich wusste das Management genau über diese Geschehnisse
Bescheid. Vermutlich hatte sogar das Sichtgerät die entsprechenden Daten an die
Hauptverwaltung übertragen. Ja, so musste das funktionieren: Das Sichtgerät
projizierte bei den Downloads nicht nur Informationen in sein Gehirn, sondern
las auch Daten aus seinem Gedächtnis aus. Während er sich dann von den Folgen
des Downloads erholte, hatte das Sichtgerät alle Zeit der Welt, die Daten
weiterzuleiten.
Und nun steckte er in
Schwierigkeiten. Auf der Habenseite konnte er lediglich die verspätete
Entsorgung einer Zielperson sowie einige Gelegenheitsziele für sich verbuchen.
Auf der Sollseite hingegen türmte sich ein ganzer Stapel von Verfehlungen auf:
Eine Zielperson auf der Flucht, die zweite Zielperson mit Verspätung entsorgt -
und das noch nicht einmal mit seinen eigenen Händen … und dann hatte er auch
noch seine Waffe verloren, weil er vom Download überfordert gewesen war. Er
hatte sich zwar einen Ersatz beschafft, doch dieser Stapel von Verfehlungen
würde ihm das Genick brechen, ganz sicher. Außerdem hatte er seine Kleidung
schmutzig gemacht.
Und nun?
Was würde das Management
wohl tun? Ihn feuern? Würden sie ihn in die Katakomben verbannen, zu den Knochenkauern? Oder würden sie ihn kurzerhand entsorgen?
Nein, darüber wollte er nun
nicht nachdenken. Wenn er darüber nachdachte, dann würde ihn endgültig der Mut
verlassen und er würde sich keinen Schritt weiter bewegen. Und dann würde ihn
das Management ganz sicher bestrafen, auch wenn er eine noch so wasserdichte
Alibigeschichte präsentierte.
Aber halt!
Er blieb wie angewurzelt
stehen und sah sich um. Hier stimmte etwas nicht. Ganz und gar nicht. In einer
Hauptverwaltung sollten Ordnung und Sauberkeit herrschen. Beides konnte er hier
nicht entdecken. Sicher, auf den ersten Blick hatten ihn die verkleideten Wände
und der Teppichboden überrascht, doch nun erkannte er die Zerstörung und die
Unordnung. Seine rechte Hand schloss sich unwillkürlich um den Griff des
Revolvers. Außerdem fühlte er, wie seine Oberlippe in die Höhe wanderte, als er
die Zähne fletschte. Dies geschah völlig ohne sein Zutun. Er hätte es auch
nicht verhindern können, denn die Wut zog wieder auf und füllte seinen Schädel
mit rotem Nebel.
Außerdem fühlte er
Bestürzung. Wenn es sich bei diesem Ort tatsächlich um die Hauptverwaltung
handelte - wer besaß dann die Macht, ausgerechnet
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