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Kellerwelt

Kellerwelt

Titel: Kellerwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niels Peter Henning
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Schulter schaute und ihn erblickte, deutete sie
sofort auf ihn.
    „ Da isser .
Guckt, ich hab's gesagt. Ich hab' ein!"
    Er trat einen Schritt nach
vorne. Beinahe gleichzeitig erhoben sich die drei Gestalten hinter dem Feuer.
Er wollte die Männer ansprechen, doch von links wehte ein Gestank heran, der
seine Konzentration zunichtemachte. Als er sich nach der Quelle dieses Gestanks
umsah, entdeckte er einen Haufen glitschigen Zeugs in einer dunklen Nische. Das
Flackern des Feuers reichte nicht aus, um Einzelheiten zu enthüllen, also ging
er einen Schritt auf diesen Haufen zu. Im Grunde wollte er nicht wissen, was
einen derartigen Gestank verströmen konnte, doch in seinen Gedanken blökte eine
Alarmsirene los. Bevor er mit diesem Männern sprach, musste er wissen, womit er
es hier zu tun hatte.
    Er kniff die Augen zusammen
und sah genauer hin. Dieses glitschige Zeug war nicht schwarz, wie er anfangs
angenommen hatte, sondern rot. Soweit er erkennen konnte, handelte es sich
nicht um Schlamm, sondern um eine Art Schläuche. Stränge aus einem roten
Material. Und ganz oben auf diesem Haufen …
    Er prallte zurück. Seine
rechte Hand fuhr hinter seinen Rücken und packte das Griffstück der P226.
    Oben auf diesem Haufen lag
ein menschlicher Schädel und starrte ihn aus leeren Augenhöhlen an.

Orakel
     
    Weiter. Und immer weiter.
    Sie ärgerte sich. Der Alte
Arsch hatte sich beim Heraussuchen der Karten eine Menge Zeit gelassen. Das tat
er immer, wenn man in Eile war.
    Außerdem hatte er sie
angestiert und sich über die Lippen geleckt. Das fand sie total ekelhaft, denn
seine Lippen sahen aus, als gehörten sie einer Mumie. Und als sei das noch
nicht genug, hatte er sie auch noch als „Kleines" und „Schätzchen"
tituliert.
    Doch über all diese Punkte
ärgerte sie sich nicht. Zumindest nicht ausschließlich. Das war eben der Alte
Arsch. Dieser Name machte durchaus Sinn. Außer Sticheleien und Gemeinheiten
konnte man von diesem vertrockneten Furz nicht viel erwarten.
    Tatsächlich ärgerte sie sich
viel mehr über sich selbst. Schließlich hatte sie dem Alten Arsch eine
Steilvorlage geliefert, um sie zu drangsalieren.
    Sie hätte dem Alten Arsch
einfach nur sagen müssen, der Chef habe sie zum Loch geschickt, um dort nach
neuen Seilen zu suchen. Seile konnte man in der Siedlung immer gebrauchen. Das
wäre eine gute Ausrede gewesen. Dann hätte sie so tun müssen, als habe sie
überhaupt keine Lust, diesen Auftrag auszuführen. Der Alte Arsch hätte sich
beeilt, die Karten herauszusuchen - nur, um ihr keine Möglichkeit zu geben,
noch etwas zu bummeln und die unangenehme Aufgabe ein wenig aufzuschieben.
    Stattdessen hatte sie nicht
still stehen können. Ihre Stimme hatte gezittert, als sie nach den Karten
fragte. Als der Alte Arsch dann fragte, ob sie es eilig habe, hatte sie sich
auch noch zu einem „Ja" hinreißen lassen - für den Alten Arsch Anlass
genug, sofort die Handbremse anzuziehen und nur noch mit halber Kraft voraus zu
dümpeln.
    Wie gerne hätte sie ihn
angeschrien, er solle sich gefälligst beeilen. Doch damit hätte sie lediglich
einen kompletten Stillstand provoziert. Der Alte Arsch hätte ihr eine Predigt
gehalten, wie wichtig er doch sei und dass sich eine junge Rotzgöre wie sie
gefälligst nach ihm zu richten habe und nicht umgekehrt. Sie hatte diese
Predigt bereits zweimal gehört und keine Lust auf einen dritten Durchgang
verspürt. Deswegen hatte sie nichts gesagt, sondern einfach nur abgewartet und
dabei versucht, das Zittern in den Griff zu bekommen.
    Als der Alte Arsch dann
endlich den Stapel Karten über die Theke geschoben hatte, war sie aus dem
Kartenarchiv geflüchtet, als seien die Knochenkauer hinter ihr her. Danach war
sie durch die Korridore geeilt, bis sie schließlich die Randzone der Siedlung
erreicht hatte.
    Bis hierher kannte sie sich
aus. Sie kannte jede Ecke und jeden Winkel. Doch schon bald würde sich das
ändern. Dann würde sie auf die Karten zurückgreifen müssen, wobei sie noch mehr
Zeit verlieren würde. Darüber ärgerte sie sich zwar, doch sie musste ihr Tempo
ohnehin ein wenig drosseln, um nicht irgendeinem Streuner in die Arme zu
laufen.
    Eigentlich sollte sich
außerhalb der Siedlung niemand mehr herumtreiben, bis auf die Kommandos, die
der Chef selbst losschickte. Es kursierten aber immer wieder Gerüchte über
Streuner, die sich in den Korridoren nahe der Siedlung herumtrieben und den
Beschaffern auflauerten. Sie verspürte keine Lust, um eine Ecke zu biegen

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