Kells Legende: Roman (German Edition)
und dann versuchst du, mir jeden Pfennig wegzunehmen, den ich vor diesem alten, griesgrämigen Mistkerl, den ich meinen Ehemann nennen muss, in Sicherheit bringen konnte! Weißt du, was ich ertragen musste, als ich diesen stinkenden, zahnlosen alten Bock geheiratet habe? Kannst du dir seinen entsetzlichen Atem vorstellen? Seine groben, haarigen Hände auf meinen Brüsten? Seine ungewaschenen, widerlich stinkenden Füße?«
Es gelang Saark, aufzustehen, ohne ein Auge zu verlieren, und während er beide Hände hob, um sich zu ergeben, redete er beschwörend auf sie ein, wobei er verzweifelt nach einer Fluchtmöglichkeit suchte. »Hör zu, Marianne, wir können beide vollkommen unbeschadet aus dieser Sache herauskommen …«
»Nein«, zischte sie. »Ich für mein Teil komme aus dieser Sache unbeschadet und zutiefst befriedigt heraus, aber du«, sie stach erneut mit dem Rapier nach ihm und verletzte ihn an der Wange, »wirst aus dieser Sache ohne deine Eier herauskommen.«
Saark zog mit einer geschmeidigen Handbewegung den juwelengeschmückten Dolch, hob den Arm und erstarrte … die Tür hinter Marianne hatte sich geöffnet. Ein großer, geschmeidiger Krieger mit schulterlangem, weißem Haar und roten Augen trat herein. Der Albino machte einen schnellen Schritt nach vorn, und die Spitze seines Schwertes drang mit einem roten Sprühnebel aus Mariannes Brust. Ihr Blick begegnete dem von Saark. In ihren Augen zeichneten sich Verwirrung und Schmerz ab, und einen Moment lang entstand eine Verbindung zwischen ihnen, eine Symbiose, tiefer als Worte, sogar tiefer als eine Seelenverwandtschaft … Sie öffnete den Mund, wollte etwas sagen, doch anstelle von Worten strömte dunkelrotes Blut heraus, lief über ihre Brüste, über ihren flachen, braunen Bauch und plätscherte wie Sommerregen auf den unebenen Boden. Dann stürzte Marianne zur Seite und riss das Schwert des Albinos mit sich.
Saark stieß zu, und der juwelenbesetzte Dolch drang in das Auge des Soldaten. Der Albino taumelte zurück und fiel mit einem lauten Plumps auf seinen Hintern. Dann hob er … es war einfach unglaublich! … die Hand und zog die Klinge mit einem schmatzenden Geräusch aus seinem Auge heraus. Sie fiel mit einem, wie es schien, ohrenbetäubenden Poltern auf die Holzdielen.
Saark sprang vor, trat dem Soldaten ins Gesicht und riss sein Rapier aus Mariannes todesstarrer Hand. Der Soldat bemühte sich, seine eigene Klinge aus ihrem Leichnam zu befreien, während milchig weißes Blut aus seiner Augenhöhle strömte. Saark schlug mit seinem Schwert zu; die Klinge fraß sich in den Hals des Soldaten und trennte ihm fast den Kopf vom Rumpf. Saark taumelte zurück und sah zu, wie milchiges Blut aus dem schlaffen Leichnam pulsierte. Dabei stolperte er über die tote Marianne, rutschte in ihrem Blut aus und stürzte schwer zu Boden. Sein Blick fiel auf ihre glasigen Augen. Ihr Gesicht war ruhig und immer noch ehrfurchteinflößend schön; es erinnerte ihn an chinesisches Porzellan. »Verdammt sollst du sein!«
Saark erhob sich, klebrig vom warmen Blut der Frau, ging durch den Raum und nahm, durch und durch ein Dieb, den juwelengeschmückten Dolch vom Boden hoch, der sein Leben gerettet hatte. Das Rapier in seiner Rechten, schlich er ins Treppenhaus und ins Erdgeschoss hinab. Unten am Boden waberte Eisrauch in trägen Wolken umher. Saark verzog finster das Gesicht, als er sich vorsichtig die Stufen hinuntertastete. Er spürte, wie die eisige Kälte in seine Beine biss. Rasch kehrte er in das Zimmer zurück und durchwühlte den Schrank, bis er dicke Pelze und einen Ledermantel gefunden hatte. Er wickelte sich hinein, ging erneut hinunter und trat dann vorsichtig auf die gepflasterte Straße.
Die Häuser, Villen und Türme auf dieser Straße zeigten ihren Wohlstand mit unverhüllter Obszönität, schmückten sich mit Reichtum und Privilegien wie mit Juwelen. Die Straße selbst war verlassen. Selbst durch die dicke Kleidung hindurch fühlte Saark, wie die Kälte an ihm nagte und auf seiner Haut brannte. Er lief hastig über die Straße, strebte dem Fluss zu … und blieb nur einmal kurz stehen, um ein kleines Kind zu betrachten, das mit dem Gesicht nach unten auf den Pflastersteinen lag. Saark trat zu ihm und kniete sich behutsam neben den Jungen, der höchstens vier oder fünf Jahre alt war. Er stieß ihn an, rollte ihn auf den Rücken und fuhr mit einem Keuchen zurück. Das Gesicht und die Gliedmaßen des Kindes waren geschrumpft, eingefallen, das Hemd
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