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Kells Legende: Roman (German Edition)

Kells Legende: Roman (German Edition)

Titel: Kells Legende: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Remic
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in den schmalen Fluss, und sie fuhren ein gutes Stück weiter; das Wasser wurde tiefer, rauschte zwischen zwei gewaltigen, anderthalbtausend Meter hohen, blanken Felswänden aus schwarzem Granit hindurch, die glänzten und mit Eis überzogen waren. Sie schossen hindurch und landeten …
    In einer Bucht vor einer grünen Lichtung.
    Der Fluss endete in einem runden, flachen Becken, und jenseits des Ufers stand eine Vielzahl von Bäumen, Pflanzen und Blumen. Deren Farben und Düfte waberten über die Lichtung, und Anukis brachte die Barke zum Stehen, indem sie sie auf einen natürlichen Steg aus Felsgestein lenkte.
    Alloria sprang auf den Fels und stemmte lächelnd die Hände in die Hüften. Die Sonne schien, strahlte auf sie herunter und erwärmte ihr Gesicht. Dann drehte sie sich lachend zu Anukis herum. »Was ist das für ein Ort?«
    Anukis stieg ebenfalls aus dem Boot, misstrauisch und eingedenk der Tatsache, dass sie auf dem Boot zumindest einen kleinen Schutz vor den Schnittern hatten. Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
    »Vashell hat von einem solchen Ort geredet«, erklärte Alloria.
    »Hat er?«
    »Ja. Er sagte, von ihm aus würde man zu dem … dem Vrekken gelangen, wer oder was auch immer das sein mag. Er sagte, hier würde es Bäume und Blumen geben und außerdem einen Tunnel. Wir sollten dem Tunnel folgen, dann würde der tollkühne Reisende den Vrekken schon finden.«
    Anukis drehte sich um und kniff die Augen zusammen. In der gegenüberliegenden Felswand befand sich tatsächlich eine Tunnelöffnung. Sie war zu regelmäßig, zu offensichtlich von Lebewesen gemacht, als dass sie eine natürliche Höhle hätte sein können. Was Anukis’ Argwohn nur noch verstärkte.
    »Hat er noch etwas gesagt?«
    »Nein. Seht doch! Früchte!« Alloria lief zu einem Baum und pflückte einen Apfel. Sie biss hinein und lachte, während ihr der Saft über das Kinn lief. »Er schmeckt wundervoll! Frisch und knackig. Ich kann einfach nicht glauben, dass ein solcher kleiner … kleiner Garten mitten in den Bergen existieren kann. Könnt Ihr die Blumen riechen?«
    »Kann ich.«
    Alloria warf Anukis einen Apfel zu, den sie auffing. Sie biss hinein. Auch ihr lief der Saft über das Kinn, und sie spürte, wie sich ihre Stimmung ein bisschen besserte. Alloria hatte recht. Dieser Platz, auf den die Wintersonne so wunderbar herabschien und der zwischen den mächtigen Mauern von Felsgestein lag, war wirklich Balsam für die Seele.
    »Hier können wir nicht bleiben. Wir müssen Vorräte sammeln, und dann müssen wir weiterfahren.«
    Alloria seufzte, ging durch die Blumen und sah Anukis in die Augen. »Wonach suchst du, Anu?«, fragte sie plötzlich vertraulich.
    »Nach meinem Vater. Das weißt du doch.« Anukis ging auf die vertrauliche Anrede ein.
    »Wirklich? Und weshalb?«
    Anukis wollte schon antworten, schloss ihren Mund dann jedoch wieder. Mehr als alles andere wollte sie in Silvatal akzeptiert sein, wollte sie, dass man sie als reinblütige Vachine akzeptierte, als Ölblut. Aber das war jetzt nicht mehr möglich. Es war ihr schon von frühester Kindheit an durch einen Vater verwehrt worden, den sie jetzt zu retten versuchte; aber er hatte seine Gründe dafür gehabt, oder etwa nicht? Dafür, dass er sie zu einer Ausgestoßenen gemacht hatte. Und, das wurde ihr plötzlich klar, was Sie am allermeisten wollte. Sie wollte, dass Kradek-ka, der große Erfinder, sie wieder heil machte. Dass er das korrigierte, was er pervertiert hatte. Doch auch dafür war es zu spät. Ihre Chance war vertan.
    »Ich will akzeptiert werden«, antwortete sie schließlich.
    Alloria nickte und blickte zwischen den Bäumen hindurch. In der Ferne zwitscherten Vögel. Es war ein wohltuendes Geräusch. »Vashell sagte, es gäbe hier einen Pfad, einen Weg, der nach Süden führt, heraus aus der Umklammerung des Schwarzspitz-Massivs.«
    Anukis blickte sie an. Dann leckte sie sich die Lippen. »Du willst mich verlassen?«
    »Ja. Ich will zu meinem Ehemann zurückkehren, zu meinen Kindern. Das verstehst du doch sicherlich?«
    Anukis seufzte. »Gewiss, ich verstehe dich. Aber das wird eine sehr harte und beschwerliche Reise werden. Außerdem glaube ich, dass diese Pfade sehr … tückisch sind.«
    Alloria nickte. »Ich würde alles auf mich nehmen, um meine Familie wiederzusehen.«
    »Dann geh. Meinen Segen hast du.«
    »Du könntest mit mir kommen«, schlug Alloria vor. »Ich habe gehört, was Vashell gesagt hat; über diesen Ort, dieses Nonterrazake.

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