Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kells Legende: Roman (German Edition)

Kells Legende: Roman (German Edition)

Titel: Kells Legende: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Remic
Vom Netzwerk:
Und über die Schnitter, die dort leben. Du weißt nicht einmal, ob dein Vater noch am Leben ist! Es ist der reine Wahnsinn, weiterzufahren.«
    »Du hast ein ausgezeichnetes Gehör«, erwiderte Anukis ein bisschen gereizt. »Doch nein. Ich werde dorthin reisen. Selbst wenn ich dort einfach nur die Wahrheit herausfinde und sonst nichts.«
    Königin Alloria machte einen Schritt auf sie zu und blickte dann tief in Anukis’ Augen. »Ich weiß, dass ich in letzter Zeit sehr … distanziert gewesen bin.« Sie leckte sich die Lippen. »Aber … ich möchte dir danken, dafür, dass du mich vor den Soldaten gerettet hast. Es fällt mir sehr schwer, eure Sitten zu verstehen, aber falls du eines Tages in mein Land, nach Falanor, kommst, werde ich hoffentlich in der Lage sein, dir diesen Liebesdienst zu vergelten und dir zu helfen.« Sie hielt inne, verlegen, weil sie nicht genau wusste, was sie eigentlich sagen wollte. Ihr schossen widerstreitende Gedanken durch den Kopf.
    Anukis lächelte, beugte sich vor und umarmte Alloria.
    »Es wird genauso sein, wie du sagst.«
    Dann wandte sich Anukis um, trat wieder auf die Ingenieursbarke, den Duft der wundervollen Blumen in ihrer Nase, in ihren goldenen Locken, und lenkte das Boot weg von diesem Sanktum, von diesem so vergänglichen Garten Eden in Richtung auf die bedrohliche Öffnung, die Höhle, die sie mit einem kaum wahrnehmbaren, zischenden Flüstern zu locken schien.
    Komm zu mir, schien die Höhle zu wispern.
    Komm zum Vrekken.
    Die Messingbarke glitt über das ruhige Wasser und fuhr dann in den dunklen Tunnel.
    Nach wenigen Sekunden wurde Anukis von der Finsternis verschluckt.
    Stundenlang fuhr die Messingbarke durch die Schwärze. Gelegentlich stieß sie gegen die spitzen Felswände, und Anukis schüttelte sich unwillkürlich. Sie wollte nicht ertrinken. Schlimmer noch, sie wollte auf keinen Fall in einer Gruftwelt unter dem Schwarzspitz-Massiv ertrinken!
    Der Wind pfiff unheimlich durch die Tunnel, und schließlich begriff Anukis voller Schrecken, dass sie sich in einem Labyrinth befand. Die Finsternis verbarg das Wesen dieses Labyrinths, und erst die Zeit brachte es zutage, durch den Kontext, als Anukis begriff, dass sie von mächtigen Strömungen getragen wurde und nicht mehr von dem Summen der Uhrwerkmaschine. Eine Weile stellte sie die Maschine auf volle Kraft, hörte ihr Arbeiten, das Heulen der Kolben, die sich gegen die Strömung wehrten. Schließlich begriff sie, dass es vergeblich war; was auch immer die Messingbarke vorwärtszog, es schien so etwas wie Intelligenz zu besitzen, und sie würde nur die Maschine zerstören, wenn sie so weitermachte.
    Also schaltete Anukis sie ab und blieb in dieser unheimlichen Stille sitzen, die von der Ruhe auf der Barke noch verstärkt wurde. Anukis begriff, dass sie sich an das Geräusch der Maschine gewöhnt hatte; es war tröstend gewesen, wie der Herzschlag der Mutter für das ungeborene Kind.
    Jetzt jedoch sang nur der Wind sie in den Schlaf.
    Minuten wurden zu Stunden, wurden zu Tagen, und Anukis verlor jedes Gefühl von Zeit. Sie schlief, wenn sie müde war, und aß etwas von den mageren Rationen, die noch im Schrank der Barke lagen: hauptsächlich Zwieback, gesalzener Fisch und ein bisschen gepökeltes Schweinefleisch. Oder jedenfalls Fleisch von irgendeinem Tier.
    Schließlich sah Anukis Kristalladern in dem Fels über ihrem Kopf; zuerst nur ganz dünne, schwache, nur gelegentliche Stränge, orangefarben und grün, die die Monotonie des allgegenwärtigen Schwarz unterbrachen. Dann jedoch wurden diese Flöze zahlreicher und dicker und spendeten ein unheimliches, fahl glühendes Licht. Anukis konnte ihre Hand erkennen und auch schwach den Umriss der Barke. Das war alles.
    Wann sie den Lärm hörte, wusste sie nicht genau. Es konnte nach zwei Tagen gewesen sein, oder auch nach fünf. Die Zeit war wie ein Schemen, vermischt mit Erinnerungen. Der Lärm begann als ein winziges, knisterndes Geräusch, woraufhin Anukis sofort zur Maschine lief, um nachzusehen, ob es dort ein Problem gab. Aber die Uhrwerkmaschine war still; sie hatte sie mit ihren eigenen, hübschen, mit Vachine-Klauen bewehrten Händen selbst abgestellt.
    Dann, nach Stunden, nahm der Lärm zu, und Anukis begriff, dass es sich um das Geräusch von rauschendem Wasser handelte, wie von einem Wasserfall oder von Stromschnellen, die über Felsen zischten. Das Geräusch hallte durch die Tunnel in einer sehr merkwürdigen Akustik, die von der Natur ihrer Umgebung erzeugt

Weitere Kostenlose Bücher