Kells Legende: Roman (German Edition)
Häute in großen Bottichen ein, mischen das Hirn von Tieren hinein und kneten sie mit Hundekot, um sie weich zu machen.« Er grinste Nienna an, und sein Gesicht wirkte in dem gedämpften Licht des Raumes fast dämonisch, als die Schatten der schwankenden Häute darüber fielen. »Jetzt verstehst du vielleicht, warum es für dich ein Glück ist, dass du zur Universität gehen kannst, Mädchen. Das hier ist nicht gerade ein Ort für Kinder.«
»Und doch arbeiten hier Kinder.« Kats Stimme klang eisig.
»So ist es.«
Sie gingen vorsichtig zwischen den schwingenden Häuten hindurch, und die beiden jungen Frauen zuckten zusammen, wenn die haarigen Häute sie berührten, an denen noch schwarzes Fleisch und lange Streifen von dickem gelbem Fett hingen. Irgendwann rutschte Kat aus, aber Nienna konnte sie gerade noch stützen. Sie zog sie von einer kanalartigen Rinne weg, die mit stinkendem, zermahlenem Tierhirn und geronnenem Blut gefüllt war.
»Das hier ist das reinste Fegefeuer«, sagte Nienna leise.
Kat drehte sich zur Seite und erbrach sich.
Kell tauchte schließlich aus der Wand von Häuten auf, blieb stehen, kniff die Augen zusammen und sah sich nach rechts und links um. Vor ihm standen etwa zwanzig große Bottiche, und unter den vier kupfernen Füßen dieser Bottiche brannte immer noch Feuer. Hier ließ man das Fleisch und die Hautstreifen monatelang im Wasser faulen, bis man sie kochte, um Klebstoff daraus zu machen. Und hier stank es am schlimmsten. Kell war froh, dass er ein Tuch vor dem Mund hatte.
Plötzlich drehte er sich um, runzelte die Stirn und trat zu einem Fass mit dieser widerlich stinkenden Brühe. Er hob seine Axt. »Kommst du heraus, oder soll ich mit der Axt voran reinkommen?«
»Schon gut, bleib da, alter Mann«, erwiderte eine gebildete Stimme. Dann trat ein großer, athletischer Mann aus dem Schatten. Nienna beobachtete ihn und fühlte sich sofort zu ihm hingezogen; zweifellos eine Reaktion, die dieser Dandy gewöhnt war. Er hatte ein sehr fein gezeichnetes Gesicht, schwarzes, lockiges Haar, das geölt und zurückgekämmt war, einen sauber rasierten Schnurrbart und lange Koteletten, die zurzeit der letzte Schrei unter den Adligen waren. Er trug ein dunkelblaues Hemd, eine dunkle Hose, hohe Kavalleriestiefel und einen kurzen, teuren, mit Pelz gefütterten Ledermantel. An seinen Fingern funkelten wertvolle Ringe, Diamanten und Rubine. Seine Augen leuchteten blau, selbst an diesem gedämpften, düsteren, höllischen Ort. Er hatte ein Gesicht, das, wie Nienna es auszudrücken pflegte, stets zu lächeln schien.
Kat schnaubte. Nienna wollte ebenfalls lachen, denn dieser Adlige wirkte in dieser widerlich stinkenden, höllischen Gerberei vollkommen lächerlich und deplatziert. Doch dann sah sie sein Schwert. Es wies ebenfalls einen leichten Anflug von Lächerlichkeit auf, bis sie es mit seiner Haltung zusammenbrachte. Erst jetzt bemerkte sie die breiten Schultern des Mannes, seine schmalen Hüften und die elegante, unauffällige Haltung des erfahrenen Kriegers. Nienna tadelte sich für ihre Vorurteile. Ihr wurde klar, dass dieser Mann ohne Zweifel oft unterschätzt wurde.
»Wieso schleichst du hier herum, du Narr?«
»Schleichen? Ich schleiche? Alter, mein Name ist Saark, und Saark schleicht nicht. Und was den Narren angeht … Ich nehme diesen Seitenhieb so, wie du ihn vermutlich gemeint hast; wohlwollend und als Scherz über die erbärmliche Situation und gefährliche Lage, in der wir uns befinden.«
»Ein Haufen leerer Worte«, antwortete Kell verächtlich und wandte sich kurz zu Nienna und Kat um. Als er sich erneut umdrehte, bemerkte er, dass Saark dicht bei ihm stand. Viel zu dicht. Das Rapier berührte Kells Hals, und einen Augenblick lang herrschte angespannte Erstarrung.
»Sie genügen jedenfalls, um mich so nah an dich heranzulassen, dass ich deine Abwehr unterlaufen kann«, meinte Saark, in dessen sanfter Stimme nur die Andeutung einer Drohung mitschwang.
»Ich glaube, wir kämpfen beide gegen denselben Feind«, sagte Kell, der Saark dabei starr in die Augen blickte.
»Das denke ich auch!« Saark trat zurück und schob sein Rapier wieder in die Scheide. Dann streckte er die Hand aus. »Ich bin Saark.«
»Das sagtest du bereits.«
»Ich finde, es ist ein so schöner Name, dass er verdient, zweimal genannt zu werden.«
Kell knurrte. »Ich bin Kell. Das hier ist Nienna, meine Enkelin, und ihre Freundin Kat. Wir wollten eigentlich ein Boot stehlen und damit aus diesem
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