Kells Legende: Roman (German Edition)
reckte sich. »Trotzdem, für eine Nacht wird es genügen. Ich werde erst mal ein Nickerchen machen.«
»Nein, das wirst du nicht«, widersprach Kell, drehte sich zu ihm herum und musterte ihn über den langen Tisch hinweg.
»Wie bitte?«
»Ich will damit sagen«, knurrte Kell gereizt, »dass du nicht einfach nur den Kopf aufs Kissen legen und uns die ganze Arbeit überlassen wirst. Wir brauchen Holz für das Feuer, Wasser für den Kessel. Und draußen habe ich vor dem Haus ein Gemüsebeet gesehen, in dem Kohl und Kartoffeln wachsen. Sie müssen aus der gefrorenen Erde gezogen und geputzt werden.«
»Ich bin mir sicher, dass du mit dieser Art von körperlicher Arbeit hervorragend zurechtkommst«, erwiderte Saark lächelnd. Ganz offenbar war ihm Kells Ärger entgangen. »Denn selbstverständlich ist das keine Arbeit für einen Edelmann und Dandy mit einem solchen Ruf, wie ich ihn habe.«
»Bist du hungrig?«
»Selbstverständlich! Leider kann ich jedoch nicht kochen, habe noch nie Holz geschlagen, und mein Kreuz ist noch von meinen romantischen Unternehmungen ein bisschen strapaziert. Bedauerlicherweise also sind eure Aufgaben, so wertvoll und notwendig sie auch sein mögen, für einen einfachen Stutzer wie mich leider nicht zu bewältigen.« Saark drehte sich um, so als wollte er den muffigen Schlafraum betreten.
»Wenn du nicht arbeitest, wirst du auch nicht essen«, erklärte Kell leise.
»Wie bitte?«, wiederholte Saark.
»Hast du ein Problem mit deinem Gehör? Vielleicht kann ich es ja mit einem kurzen Schlag meiner Axt beheben?«
Saark runzelte die Stirn. »Ich mag ein sexueller Gigant sein und mich möglicherweise auch in Seide kleiden, die so teuer ist, dass deinesgleichen sie sich nicht einmal leisten könnte, wenn du tausend Jahre arbeiten würdest; aber ich lasse mich nicht bedrohen, Kell, und du solltest meine Geschicklichkeit im Umgang mit der Klinge nicht unterschätzen.«
»Das tue ich auch nicht, mein Junge. Ich stelle nur deinen Umgang mit deinem Gehirn in Frage. Verschwinde nach draußen und hack Holz, sonst, und das schwöre ich dir, treibe ich dich mit Tritten aus der Hütte zum Fluss, wo ich dich wie einen alten, räudigen Köter ersäufen werde.«
Einen Augenblick herrschte eine bedrohliche Anspannung zwischen den beiden Männern, dann entspannte sich Saark und lächelte. Er trat zur Tür, während die beiden jungen Frauen ihn schweigend beobachteten. Dort drehte er sich um und nickte Kell zu. »Wie du willst, alter Mann. Aber ich an deiner Stelle würde etwas wegen dieser sexuellen Anspannung unternehmen; sie frisst dich innerlich auf und verwandelt dich leider in einen streitsüchtigen, schlecht gelaunten Langweiler.« Sein Blick zuckte kurz zu Kat und verweilte einen Herzschlag lang auf der jungen Frau, dann lächelte er kühl und ging hinaus.
Nach wenigen Augenblicken hörten sie das unverkennbare Geräusch eines Beils, das Holzscheite spaltete. Offenbar hatte Saark den Holzschuppen gefunden.
Nienna trat zu ihrem Großvater und legte ihm eine Hand auf den Arm. »Er will dir nichts Böses«, sagte sie. »Es ist einfach nur seine Art.«
»Pah!«, fuhr Kell hoch. »Ich kenne diese Sorte; ich habe viele von seinesgleichen in Vohr und Fawkrin gesehen. Er nimmt, wie ein Parasit, ohne jemals zu geben. Es gibt zu viele wie ihn, selbst in Jalder. Sie haben sich im Norden wie eine Plage ausgebreitet.«
»Jetzt gibt es jedenfalls keine mehr«, widersprach Kat mit einem gehetzten Blick. »Die Albino-Soldaten haben sie alle getötet.« Sie nahm den Krug von dem langen Regal und ging hinaus zum Fluss, um Wasser zu schöpfen. Kell seufzte und legte Ilanna behutsam auf den Tisch. Dann packte er mit beiden Händen Niennas Schultern und sah ihr tief in die Augen, bis sie errötete und ihren Blick abwendete.
»Du hast deine Sache gut gemacht, Mädchen.«
»An der Universität?«
»Ich meine, überhaupt«, antwortete Kell. »Du warst stark, mutig und furchtlos. Du hast weder herumgestöhnt noch gejammert«, dabei blickte er zur Tür, und es war offensichtlich, auf wen er anspielte. »Und du hast dich im Kampf gut gehalten.« Er lächelte ein freundliches Lächeln, und Nienna schien es, als wäre ihr alter Großvater wieder aufgetaucht. »Es ist schon merkwürdig, denn du sagtest doch, du wolltest ein Abenteuer erleben. Nun, dieses Abenteuer hast du uns beschert, kleine Nienna.« Er zerzauste ihr das Haar, und sie lachte kurz. Doch ihr Lachen verstummte rasch, endete in unbehaglichem
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