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Kells Legende: Roman (German Edition)

Kells Legende: Roman (German Edition)

Titel: Kells Legende: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Remic
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zu sorgen.
    »Wie viele davon funktionieren?«, fragte sie schließlich erschöpft.
    »Wie bitte? Ich verstehe nicht …«
    »Aus wie vielen Kleinen werden … Vachine? Ich meine, richtige Vachine?«
    »Fünfundfünfzig von hundert überstehen erfolgreich die, sagen wir, medizinischen Prozeduren. Fünfundfünfzig von hundert akzeptieren das Uhrwerk, die Reißzähne, wachsen, verbinden sich mit dem Mechanismus, passen sich ihm an und halten sich zu Recht für wahre Vachine.«
    »Was passiert mit den anderen?«
    »Die meisten von ihnen sterben.« Vashell klang traurig. »Das ist ein großer Verlust. Denn wenn wir die Quote der erfolgreichen Anpassung verbessern könnten, würde unsere Armee weit schneller wachsen, und wir könnten erheblich schneller voranschreiten.«
    »Und die anderen?«
    »Du meinst die Canker?« Vashell lachte. »Sie sind durchaus nützlich.«
    »Bring mich von hier weg!«, bat Anukis, der die Tränen über die Wangen liefen. Ihr halb mechanisches Herz schien zu brennen.
    »Wie du möchtest. Ich dachte, du solltest das hier wissen, es begreifen, bevor wir uns an unsere Aufgabe machen.«
    »Aufgabe?«
    »Deinen Vater zu finden. Er hat an einer Verbesserung der Technik gearbeitet. Bei einigen Versuchen konnte er die erfolgreiche Anpassung von fünfundfünfzig auf fünfundneunzig Prozent steigern; wir haben fast keine Verluste mehr gehabt. Verstehst du jetzt, Anukis, warum wir ihn unbedingt finden müssen? Wenn du willst, werden wir das gemeinsam für die Uhrwerker erfolgreich zu Ende bringen, für die Gesamtheit der Vachine-Rasse, dann rettest du Hunderte von Leben, ja Tausende, jedes Jahr. Verstehst du das?«
    »Du widerlicher Mistkerl.«
    »Warum sagst du das?«
    »Du hast mich manipuliert und mit mir gespielt. Jetzt muss ich dir helfen. Ich muss dir helfen, dieses Grauen zu beenden.«
    »Das Grauen deines Vaters«, verbesserte Vashell sie.
    »Ja.« Ihr Gesicht war aschfahl, und ihre Stimme klang wie aus einem Grab. »Genau.«
    Anukis ging durch lange Flure aus Stein und Korridore aus Metall. Dass sie am Ende die Orientierung verlor, lag an den wechselnden Richtungen, den unterschiedlichen Ebenen, den Steigungen, dem Gefälle, den Kurven, dem Geruch von heißem Öl und kaltem Metall. Sie fühlte sich schwach und ergab sich in ihr Schicksal. Jetzt war sie nichts weiter als eine Marionette, eine Kreatur, die von Vashell kontrolliert wurde. Er hatte ihr ihre Gaben genommen, ihre besonderen Gaben. Sie kam sich vollkommen hohl vor, leer. Missbraucht. Voller Schmerz. Aber mehr noch … Sie fühlte sich minderwertig im Vergleich zu den Vachine, und das galt auch für die Menschen; sie war eine Kreatur in der Schwebe, die zu keiner der beiden Welten gehörte, nicht einmal zu der nächsten. Sie war ein Schatten; ein Schatten, der von Schatten verspottet wurde. Tränen überschwemmten ihre Augen, aber sie wollte nicht zulassen, dass sie herausliefen. Nein, dachte sie. Ich werde stark sein. Ich brauche meine Stärke. Ich werde sie benötigen auf der Jagd nach meinem … Vater.
    »Gutes Mädchen«, meinte Vashell anerkennend, der ihre Gefügigkeit missverstand. Trotzdem behielt er die Leine fest in seiner behandschuhten Faust. Anukis wehrte sich nicht, zog nicht daran und kämpfte auch nicht gegen diese Erniedrigung.
    Sie lächelte innerlich, obwohl ihr Gesicht wie versteinert wirkte. Sie hatte längst aufgegeben, ihren Hass zu zeigen. Wenn sie ihn schließlich tötete, wenn sie Vashell massakrierte – was sie tun würde, das wusste sie mit eiskalter Gewissheit, tief in ihrem Herzen und in ihrer Seele –, würde das ein sehr langsamer und qualvoller Tod werden. Es würde eine Absolution sein, eine Sühne. Ein Akt der Reinigung, wie ihn die Ingenieure noch nie zuvor gesehen hatten.
    Sie gingen weiter, und ihre Schritte hallten laut durch den Gang.
    »Wohin gehen wir?«, erkundigte sie sich schließlich.
    »Das wirst du schon sehen.«
    Allmählich zeigten die Wände aus Granit und Metall Zeichen der Ingenieure; Symbole ersetzten Zahlen, und die ersten Dekorationen tauchten auf, während das Design der Wände nicht nur prachtvoller wurde, sondern auch aufschlussreicher. Anukis starrte unwillkürlich die Muster auf den Wänden an, die Kunstwerke, ja selbst die Form der Steine. Viele waren zu Zahnrädern geformt, die ineinandergriffen, Zahnräder aus Steinen; der ganze Korridor schien sich zu verwandeln, als der Stein dem Metall wich, Messing und Gold, durchzogen von Silberquarz. Allmählich wurden die Wände

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