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Kells Legende: Roman (German Edition)

Kells Legende: Roman (German Edition)

Titel: Kells Legende: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Remic
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darum herum, wobei ihre Hand eine funkelnde Spur aus Fäden dieses Uhrwerks nach sich zog, aus Goldstaub und Blutöl. Schließlich stand sie vor Anukis und blickte in das zerschlagene Gesicht der hübschen Frau, das jetzt von der gewaltsamen Entfernung der Reißzähne entstellt war. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste Anukis. Sie schob ihre Zunge in den Mund der größeren Frau, ihre Reißzähne wuchsen ein Stück und bohrten sich in Anukis’ Unterlippe; es war der Biss eines Vampirs, wenn auch ein kostender, schmeckender, ein sanfter Biss, mit dem sie nur ein bisschen Blut sog …
    Sa sank wieder auf die Füße zurück. Anukis’ Blut schimmerte auf ihren Lippen, an ihren Reißzähnen, und ihre Blicke blieben miteinander verbunden. Jetzt endlich verstand Anukis. Ihr Hass löste sich auf, als wäre er zerschmettert worden. Ihre Wut wurde zerknüllt wie ein Papierball. Ihr Wunsch nach Vergeltung lag niedergestochen und blutend am Boden, sterbend, tot.
    »Du wirst uns helfen, Kradek-ka zu finden. Du wirst uns helfen, die Blutraffinerien zu reparieren.«
    Anukis nickte schwach. »Ja«, sagte sie ergeben.
    »Es gibt Dinge, die schlimmer sind als der Tod«, erklärte Sa. Dann drehte sie sich zu Vashell herum. »Zeig ihr auf dem Weg hinaus die Cankergruben. Erst dann wird sie voll und ganz die Grenzen ihres … zukünftigen Potenzials verstehen. Und außerdem das Extrem des perversen Genies ihres Vaters. Und auch, wohin das perverse Genie ihres Vaters im Extremfall führen konnte.«
    »Jawohl, Uhrwerkerin.« Vashell verbeugte sich und zerrte Anukis an der Leine mit sich fort.
    Alloria, die Königin von Falanor, saß in ihrem Herbstpalast und blickte über die wogenden Blumenfelder. Die Farben glühten, die Bäume schimmerten in leuchtendem Orange und Rostbraun; das helle Feuer des Sommers wurde vom Herbst bereits Lügen gestraft und zeigte gegenüber dem nahenden Winter ein letztes, wildes Aufbegehren.
    Sie seufzte, stand auf und ging an einer niedrigen Mauer entlang, während sie ihren Seidenschal ein bisschen fester über ihre Schultern zog. Ihr Blick glitt über die glühenden Farben, die sich vor ihr erstreckten, vor ihr und unter ihr, beinahe zwei Meilen hinab vom Herbstpalast, bis zu den Spülfeldern weit darunter. In der Ferne konnte sie Männer sehen, die auf den Feldern arbeiteten; weiter links rodeten Waldarbeiter ein Stück des Waldes und benutzten Ochsenkarren, auf denen sie die zu Scheiten gesägten und geschlagenen Stämme zum Palast fuhren, in Erwartung des harten Winters, der diesem Teil des Landes immer sehr zusetzte.
    »Da seid Ihr ja!«
    Mary lief über den makellos gepflasterten Weg und knickste kurz vor ihrer Königin. Alloria lächelte, und die beiden Frauen umarmten sich. Die junge Frau war seit einem Jahr Allorias Kammerzofe. Sie schmiegte ihre Wange an die der älteren Frau und sog ihr Parfüm ein sowie den dezenteren Duft nach frisch gewaschener Haut und teurer Feuchtigkeitscreme.
    Schließlich trat Mary einen Schritt zurück und betrachtete die Königin von Falanor. Alloria war dreißig Jahre alt, groß, elegant, von athletischem Körperbau, dazu hatte sie eine schwarze Haarmähne, die sich wie ein Wasserfall über ihre Schultern ergoss, wenn sie nicht zurückgebunden war, so wie jetzt. Ihre Haut war makellos und sehr blass; sie war wunderschön und wirkte beinahe durchscheinend. Ihre smaragdfarbenen Augen sprühten grünes Feuer, wenn sie lachte. Alloria bewegte sich mit der natürlichen Anmut einer Adeligen von Geburt und Erziehung, und doch hatte sie ein Wesen, das von Freundlichkeit gleichsam überströmte. Jegliche Arroganz ging ihr ab, und ihre Großzügigkeit machte sie beim Volk von Falanor sehr beliebt. Sie war nicht nur eine Königin, sondern auch ein Paladin der Armen. Sie hatte ihr Amt nicht nur durch Geburt oder Heirat inne, sondern es entsprach auch dem Wunsch der Bevölkerung. Sie war eine wahrhafte Königin des Volkes.
    »Ihr friert«, sagte Mary. »Ich bringe euch rasch einen dickeren Schal.«
    »Nein, danke, Mary. Mir geht es ausgezeichnet.«
    Mary warf einen Blick auf die glühenden Farben, die sich vor ihnen erstreckten. Es war schon spät, und die Sonne stand tief am Himmel. Die meisten Männer hatten ihre Arbeit beendet und gingen in kleinen Gruppen über die Wege durch die fernen Felder. »Der Winter kommt«, sagte sie und schüttelte sich, fast etwas übertrieben.
    »Das hatte ich ganz vergessen.« Alloria lächelte und berührte Marys Schulter. »Du hasst

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