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Kells Legende: Roman (German Edition)

Kells Legende: Roman (German Edition)

Titel: Kells Legende: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Remic
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Strahlen tauchten den Herbstpalast in einen prachtvollen, roten Glanz. Mary folgte ihr mit krebsrot angelaufenem Gesicht, eine Hand auf Allorias Arm gelegt.
    Erran nahm steif Haltung an. »Meine Königin.«
    »Oh, eines noch.« Alloria drehte sich plötzlich um. »Mary, meine Kammerzofe, fühlt sich ein wenig müde und erhitzt. Ich frage mich gerade, ob Ihr sie möglicherweise auf einen Spaziergang durch die Gärten begleiten könntet? Vielleicht könnt Ihr ihr ja sogar eine Stunde Eurer kostbaren Zeit schenken? Sie würde es sicherlich sehr zu schätzen wissen.«
    »Ich würde mich sehr … geehrt fühlen, meine Königin. Aber ich bin im Dienst.«
    »Oh. Ich gebe Euch für diese Spanne dienstfrei.«
    Erran lächelte etwas gequält. »Und wer erledigt meine Arbeit, während ich in den Gärten herumflaniere?«
    »Aber nicht doch. Überall sind Wachen, Hauptmann, und ich bin nur ein paar Schritte entfernt. Außerdem habe ich Lungen, mit denen ich um Hilfe schreien kann, oder etwa nicht? Und zu guter Letzt wurde ich von Elias unterrichtet, Leanorics bestem Schwertkämpfer und Lehrer. Ich bin bei weitem nicht so zerbrechlich, wie viele Leute anzunehmen scheinen.« Sie grinste, und ihre Augen funkelten. »Ich würde sogar vermuten, dass ich selbst Euch besiegen könnte.«
    Erran lächelte strahlend. »Das weiß ich, meine Königin«, räumte er ein. »Ich habe gesehen, wie Ihr mit der Klinge drei meiner besten Leute besiegt habt. Diese Demütigung hat meinem Stolz einen ziemlichen Schlag versetzt. Aber …«
    »Kein aber. Das ist ein direkter Befehl«, sagte die Königin. »Und ich würde Leanoric nur sehr ungern darüber in Kenntnis setzen, dass Ihr einen direkten Befehl seiner Königin missachtet habt.«
    Erran salutierte zackig. »Wie Ihr wünscht, Königin Alloria.« Er drehte sich um und lächelte Mary an, der es ganz offensichtlich die Sprache verschlagen hatte. »Wenn Ihr mir bitte folgen würdet, meine Dame? Ich bringe Euch an die frische Luft.«
    Mary nickte, warf Alloria einen finsteren Blick zu und verschwand. Ihre seidenen Slipper hatten jedoch keine festen Absätze und machten deshalb auf den Marmorstufen nicht das geringste Geräusch.
    Als sie endlich alleine war, betrat Alloria ihre Gemächer und schloss die Türen hinter sich. Sie liebte es, allein zu sein, ohne Wachen oder Kammerzofe, ohne Bedienstete oder Lakaien. Ihr war klar, dass Diener zu ihrer Position gehörten, was jedoch nur dazu führte, dass sie sich noch mehr nach Einsamkeit sehnte … außer in der Nacht, in den kalten Stunden in der Früh, wenn sie um Leanoric weinte, ihn so schrecklich vermisste, ihn sowie ihre beiden Söhne, Oliver und Alexander. Sie waren zwölf und vierzehn und reisten bereits mit ihrem Vater, um die Kunst der Kriegsführung zu erlernen.
    Doch nein. In der Dunkelheit kam gewöhnlich Mary und stieg zu Alloria ins Bett. Sie hielten sich gegenseitig, teilten die Wärme, den einfachen Trost menschlichen Kontaktes. Alloria wusste, dass Mary sie liebte, wusste auch, dass Mary sie auf eine Art und Weise liebte, die von dem Kontakt und dem Wunsch nach Trost angefeuert wurde, nach dem Alloria sich sehnte. Sie wusste, dass ihre Kammerzofe diese gemeinsamen Nächte liebte, in denen nur dünne Seide und Baumwolle zwischen ihren festen, vom Schlaf erhitzten Körpern lagen. Aber Alloria gehörte Leanoric, ihrem König, ihrer einzigen, wahren Liebe, ihrem Helden und Soldaten und Geliebten und Vater und Ehemann, ihrem Mann, einem echten, wahren, starken Mann, der …
    Das Bild zuckte wie ein Blitz vor ihre Augen, brannte sich in ihren Verstand.
    Ihre Untreue.
    Sie taumelte ein bisschen, richtete sich dann wieder auf, keuchte, lief zu einem Tisch mit einem Krug und goss Wasser in einen Kelch. Gierig trank sie, dann stellte sie den Kelch mit einem Knall auf den Tisch und atmete tief durch. Sie verfluchte sich dafür, dass sie ein Gedächtnis hatte, oder zumindest dass sie sich an jene schrecklichen Tage und Wochen erinnern konnte, in denen sie …
    Nein, sag es nicht, denk nicht einmal daran …
    Das ist nicht geschehen; es war ein Traum, ein schlechter Traum.
    Warum hatte sie so etwas Schreckliches getan, es dem Mann angetan, den sie so sehr liebte? Ihrem Ehemann? Dem Vater ihrer Kinder?
    Er hatte ihr verziehen. Ihr Lächeln wirkte gequält, als sie sich in dem silbernen Spiegel betrachtete. Ihre Augen hatten das grüne Feuer verloren. Sie presste die Augen zusammen, um die Tränen auszuquetschen, fand dann die Kraft, sich

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