Kells Rache: Roman (German Edition)
Uhrwerk-Augen die Bäume, ihre knorrigen Stämme und Zweige, die von Quirlen und Knoten alter Borke überzogen waren. Die Bäume waren ein Produkt uralter Zucht, eine Mischung der Technologie des Waldes, ein Ergebnis von Natur, Seele und Geist. Genau wie ich, dachte der Canker und lächelte, soweit ein derartig bestialisches, perverses und korruptes Geschöpf überhaupt lächeln konnte. Sein Mund war fünfmal so groß wie der eines Menschen. Die Kiefer klafften weit auf, die Lippen waren zurückgezogen und saßen hoch im Schädel, während seine Augen an die Seite des Kopfes gerückt waren. Seine riesigen Reißzähne waren seltsam gebogen und glitzerten von Speichel und … Blutöl.
Blutöl. Und Blutöl-Magie. Die Basis der gesamten Vachine-Zivilisation, der Nektar der Maschinenvampire.
Der Canker lächelte erneut. Es war ein bitteres Lächeln, als er sich an seine lange Vergangenheit erinnerte, an den gut aussehenden Menschen, der er einst gewesen war. Diesmal waren die Gedanken hinter der Grimasse ebenso pervers. Denn der Canker war abnorm, unheilig, vom Hohen Episkopat der Ingenieure ausgestoßen und doch, obwohl das so paradox schien, in den Diensten ebenjener Vachine-Ingenieure, die ihn verurteilt hatten. Ein Canker vermochte zu jagen. Und er verstand es zu töten. Und konnte so zumindest geringfügig eine Entschädigung suchen, einen Glauben, eine Hoffnung. Denn dieser symbiotische Kampf von Fleisch und Uhrwerk hatte den Canker entstellt, kurz nachdem er … Graal getroffen hatte. Und nachdem das Uhrw erk in sein frisches, menschliches Fleisch eingepflanzt wo rden war.
Graal. Er hasste diesen Mann von ganzem Herzen.
Der Canker war gehorsam. Er war mit dem Versprechen auf eine Zukunft bestochen worden, in der sein Körper wiederhergestellt sein würde, wo er eine neue Sterblichkeit bekommen würde, eine Assimilation an einen reinblütigen M enschen, als der er ein Leben in Normalität führen kon nte. Ohne den ewigen, inneren Schmerz durch eine Maschinerie, die seinen Körper bekämpfte.
Ich kann es schaffen, dachte das Monster. Ich kann den Ausweg finden.
Und wenn nicht? Nun, die Anweisung war in dieser Hinsicht eindeutig gewesen.
Ich muss töten, dachte der Canker.
Denn das ist der einzige Weg, bei Verstand zu bleiben.
Und jetzt sah er zu, wie die beiden Männer Geistern ähnlich durch das Zwielicht marschierten. Selbst aus der großen Entfernung konnte er das Öl auf ihren Waffen riechen, den Schweiß in ihren Kleidern, das unraffinierte Blut in ihren Adern. Hunger pulsierte im Inneren des Canker, zwischen einem Tumult aus Zahnrädern und Kolben und schmerzhaften Erinnerungen, so schrecklich schmerzhaften Erinnerungen. Hirnmus nannten die Vachine es. Es schmerzte mehr als Säure. In unheimlichem Schweigen stand der Canker da, dehnte seine mächtigen Muskeln und ging dann vorsichtig zwischen den alten, knorrigen Eichen den Hügel hinab.
»Sagtest du nicht, dass hier auf dem Weg eine befestigte Siedlung läge?« Kell blieb stehen und stützte sich mit einem müden Seufzer auf seine Axt. Schnee wirbelte um seine Stiefel, und die breiten Schultern seiner Bärenfellweste waren von Eis verkrustet, das silbrig glänzte. Die beiden Wallache hinter ihm verhielten ebenfalls ihre Schritte. Der eine scharrte mit einem schweren, eisenbeschlagenen Huf die gefrorene Erde auf. »Es wird bald Nacht; ich könnte gut etwas warmes Essen und drei Stunden in einem weichen Be tt gebrauchen, ohne die ganze Zeit diesen verfluchten Schnee spüren zu müssen.«
»Ach, Kell, mein Alter, du bist so engstirnig in deiner primitiven Kriegersicht!« Saark grinste den alten Soldaten an. Im Laufe des Tages hatte er sich immer besser gefühlt, so kräftig und gesund wie schon seit Jahren nicht mehr. Es ist ein Wunder, dachte er mit düsterem, bitterem Humor. »Ein Teller einfaches Bauerngemüse? Das kann doch nicht dein einziger Wunsch sein? Wie wäre es mit den warmen, einladenden Schenkeln einer großzügig gebauten Wirtstochter? Mit ihren willigen Lippen? Ihrem wogenden Busen? Ihrem primitiven Wunsch, dich zu erfreuen?«
Kell hustete, spie aus und wandte sich dann an den Dandy. »Saark, Kumpel, du missverstehst mich. Ich bin vor allen Dingen erschöpft. Dann denke ich an ein Bier, und dann folgt das Bedürfnis, Nienna zu finden, bevor irgendetwas wirklich Schlimmes passiert. Jetzt sieh dich an! Ich kann einfach nicht glauben, dass du in Creggan derartig lächerliche Kleidung gekauft hast. Du hättest als Frau geboren werden
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