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Kells Rache: Roman (German Edition)

Kells Rache: Roman (German Edition)

Titel: Kells Rache: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Remic
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wieder zum Fenster.
    »Kell ist ein besonderer Mann. Er verfügt über besonderes Wissen.«
    »Er weiß, wie man Vachine tötet«, gab Dagon zurück und rieb sich den Hals.
    »Und schon bald wird er lernen, wie man stirbt«, antwortete Graal ohne jegliche Emotion. Er beobachtete, wie Soldaten die Blutraffinerie mit den ersten gefrorenen Leichen aus der eroberten Stadt Vohr fütterten.

10
    ECHOS EINES KINDHEITSTRAUMS
    Während Saark auf Kell zukroch, auf seinen pulsierenden Blutgeruch, spürte er den Hunger in seinen Adern und seiner Seele. Es war ein neuer, verheerender Schmerz, der ihn in Wogen durchströmte. Saark stürzte schwer zu Boden und blieb dort keuchend liegen, das Gesicht in den Schnee gepresst. Er hatte das Gefühl, als würde er mit Knüppeln verprügelt. Er hob den Kopf, um nachzusehen, ob Kell ihn bemerkt hatte. Dann klaubte er an seinem eigenen Gesicht, als sich die Reißzähne – nachdem sie ihm ihren Daseinszweck klargemacht hatten – wieder in seinen Schädel zurückzogen. Saark schrie erstickt vor Qual auf, bemühte sich, den Schrei zu unterdrücken, rollte sich dann auf den Rücken und flüchtete sich in die kalte Nacht.
    Saark wurde im Morgengrauen durch Kells Pfeifen geweckt. Der alte Krieger saß am Feuer, in eine dicke Decke gehüllt, vor einem blubbernden Topf mit warmer Suppe. Saark dehnte seine morgenstarren Glieder, stand auf und untersuchte sich. Verblüfft stellte er fest, dass er keinerlei Schmerzen mehr hatte. Was auch immer ihn vergiftet hatte, dieses Blutöl, wie Kell es genannt hatte – seine Wirkung war verschwunden. Und auf seinem Hals saß ebenfalls noch immer sein Kopf. Diesen schüttelte er jetzt ungläubig. Das bedeutete, dass Kell nichts von seiner Verwandlung bemerkt hatte.
    Er trat zum Feuer und ließ sich davor nieder. Kell lächelte.
    »Wenn du einfach so im Schnee schläfst, Junge, wirst du dir noch den Tod holen.«
    »Es war der Kampf. In Creggan, meine ich. Es hat mich ziemlich erschöpft.«
    »Verstehe«, erwiderte Kell. »Na gut, lass uns schnell frühstücken und dann die Pferde satteln. Vor uns liegt ein langer Ritt durch vom Feind besetztes Land. Ich möchte stark annehmen, dass diese beiden Miststücke vom Knoch enfeld hinter uns sind und irgendwo unserer stinkenden Fährte hinterherschnüffeln.«
    »Wie … wie fühlst du dich?«, fragte Saark leise und wich Kells Blick aus.
    »Ich fühle mich so kräftig wie zehn Männer«, erwiderte Kell grollend. »Und jetzt komm. Ich will Nienna finden.«
    Der Canker stand im Schatten des uralten Eichenwaldes auf dem Gipfel von Henkers Hügel, einer natürlichen Deckung am Rand des geschändeten, verfallenen Klosters. Es schneite, und der Wind trieb die Flocken in schrägen Schleiern durch die Luft, was einen unwirklichen Eindruck erzeugte. Der Canker war riesig, groß wie ein Löwe, aber da hörte die Ähnlichkeit auch schon auf. Unter der wächsernen weißen Haut bewegten sich Muskeln wie der Leib einer gewaltigen Schlange. Die glatte Haut wurde gelegentlich von Büscheln grauen und weißen Fells unterbrochen sowie von offenen, eiternden Wunden, die von winzigen Zahnrädern und Kolben eines verdrehten Uhrwerks gerissen worden waren. Es tickte, arbeitete, winzige Zahnräder griffen darin ineinander, kleine Hebel bewegten sich und klickten. Nur waren bei diesem Canker, bei diesem abnormalen Vachine, die Bewegungen nicht ganz so geschmeidig, weil dieser Aspekt des Uhrwerks dieses Cankers eine Abnormität war, eine Herabsetzung des Fleisches und der Ingenieurskunst und der Religion; der Canker war ein Ausgestoßener. Er war unrein. Unheilig.
    Während langsam die Nacht heraufzog und der Himmel sich mit purpurnen Streifen und drohenden Wolken überzog, beobachtete der Canker die beiden Männer, die wie ferne Avatare auf ihn zukamen, sich vorsichtig ihren Weg über die verschneite Ebene suchten. Der kleine Tross bewegte sich im Zickzack zwischen Koniferenwäldern, die von Blitzen erhellt wurden, und spitzen Felsbrocken hin und her. Einer der beiden Männer, der Kräftigere, führte zwei Pferde an der Leine, der zweite, schlankere und etwas weibischere einen schwer bepackten Esel. Der Canker verlagerte sein Gewicht. Ihm war klar, dass die Männer ihn nicht sehen konnten, weil er mit den uralten Steinen und dem undurchdringlichen Wald aus tausendjährigen Eichen verschmolz und zudem noch von dem Schleier des windgepeitschten Schnees verdeckt wurde. Die Kreatur drehte sich herum und beobachtete mit ihren überlegenen

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