Kells Rache: Roman (German Edition)
sollen, Kumpel. Du hast viel zu viel pompöse Spitze und höfische Extravaganz an dir. So viel, dass ein ehrlicher Holzfäller davon das Kotzen bekäme.«
»Aber Kell, Kell, mein lieber Kell … als Frau geboren, sagst du?« Saark lächelte. Seine perfekt gleichförmigen Zähne zeigten einen jungenhaften Humor, der schon vielen Frauen das Herz gebrochen hatte. »Findest du mich vielleicht insgeheim attraktiv, hm? Während all unserer Kämpfe, all unserer Triumphe bevorzugt der mächtige Kell, der grauhaarige alte Krieger, der Held von Kells Legende , der all seinen Feinden an Kraft und Brutalität überlegen ist, heimlich die ganze Zeit Jungen. Ihn gelüstet nach einem Stück von Saarks Hinterschinken!«
»Du gehst zu weit!«, brüllte Kell und stürmte vor. Er hob die mächtige Ilanna in einer kräftigen Faust, während sein Gesicht vor Verlegenheit und Wut rot anlief. »Beschmutze mich nicht mit deinen eigenen, hinterwäldlerischen, perversen Bedürfnissen. Du genießt vielleicht ein Abenteuer mit einem Kerl, ich dagegen nicht. Das Einzige, was ich mit einem Mann anzufangen weiß«, er hob nachdrücklich seine Axt, »ist, ihm den Kopf von seinen verdammten Schultern abzutrennen!«
Saark trat einen Schritt zurück, die Hand auf dem Griff seines Schwertes. Er lächelte zwar immer noch, aber er betrachtete seinen Gefährten argwöhnisch. Er wusste, dass Kell ein guter Freund und ein mächtiger Feind war. Dass er ehrlich und mächtig war, letztendlich jedoch unter einem sehr starken Jähzorn litt, den selbst der kleinste Schluck Whisky noch vergrößerte. »Kell, alter Junge …« Seine Worte klangen etwas schärfer, jetzt, da die Anstrengung der Reise und die Suche nach Nienna beide Männer Kraft kostete. »Beruhige dich, ich habe nur einen Scherz gemacht. Wir werden schon bald eine Schänke finden. Ich hoffe allerdings, eine ohne Vachine-Miststücke und Schwarzlippler-Briganten. Dann kannst du genüsslich deine eigene, persönliche Lust befriedigen.«
»Was soll das heißen, Jungchen?«
»Ich bin sicher, dass sie dort mehr als nur einen Tropfen von Falanors bestem Malzwhisky haben.«
Kell knurrte. Es war ein Geräusch, das eher tierisch als menschlich klang, und er trat noch einen Schritt näher. Man musste Saark lassen, dass er nicht zurückwich. Er mochte vielleicht wie ein zerzauster Pfau aussehen, der auf einem Tuchmarkt herumstolzierte, aber er war immerhin König Leanorics Schwertchampion gewesen. Man hatte ihn schon häufig unterschätzt, und für gewöhnlich hatte das irgendjemanden das Leben gekostet.
»Hast du vielleicht Lust auf einen Kampf, Jungchen?«, fuhr Kell ihn an.
Saark hob eine Hand, schüttelte den Kopf und senkte seinen Blick auf den verschneiten Boden. »Nein, nein, du missverstehst mich.« Er blickte hoch und bemerkte Kells Schmerz. Nienna war schon viel zu lange weg, und die Suche nach ihr war ebenso hoffnungslos, wie es die Lage gewesen war, als das Land von Falanor von der Eisernen Armee der Albinos überrannt wurde.
Letzten Endes war Kells verschwundene Enkelin ein Dor n in seiner großen Bärentatze, aber einer, den niemand leicht herausziehen konnte. Das vermochte nur Kell. Und so wie die Chancen standen, würden die Suche und die Rettung seiner Enkelin in Verstümmelung, Mord und Auslöschung enden. Kell war alles andere als nachsichtig.
»Mein Freund, du bist ja schlimmer als ein aufgebrachter Vachine. Beruhige dich! Ich habe nur versucht, die Stimmung ein wenig aufzulockern, mein Alter!«
»Ich kann gern deinen Darm ein wenig auflockern«, knurrte Kell.
»Du bist wirklich ein streitsüchtiger, stinkender Esel.«
»Und du bist ein gefiederter Papagei, der viel zu sehr in sein eigenes Lied verliebt ist. Halt den Schnabel, Saark, ich kann es nicht deutlicher sagen, bevor ich dir ein zweites Lächeln ins Gesicht ritze.«
Saark nickte. Sie verstanden einander und gingen dann weiter durch den Schnee, der jetzt dichter fiel.
»Da ist die Stadt«, sagte Saark. »Sie heißt Kettelskruul und ist mit Mauern befestigt. Fantastisch. Möglicherweise können wir sogar ungestört schlafen! Außerdem scheint die Eiserne Armee nicht hier entlanggekommen zu sein. Wahrscheinlich hatten sie es zu eilig, nach Jalder zu gelangen, um die reiche Ernte einzufahren, die sie dort erwartete.«
»Kettelskruul? Was für ein seltsamer Name.«
»Die Stadt ist ganz in Ordnung, Kell. Man kennt mich dort.«
»So wie du ›man kennt mich‹ sagst, bedeutet das wahrscheinlich, dass du dort fünfzehn
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