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Kells Rache: Roman (German Edition)

Kells Rache: Roman (German Edition)

Titel: Kells Rache: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Remic
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dauerte eine Million Jahre.
    Er glitt wie eine Blutzelle durch die Adern des Universums.
    Er tröpfelte durch die Zeit, wie ein Virus durch einen Organismus.
    Graal existierte nicht mehr, denn sein ganzes Sein war ein Teil von allem Sein, und die Magie zupfte an ihm und führte ihn, und nur durch die Begrenzungen des Zaubers behielt er so etwas Ähnliches wie Identität und wurde nicht über eine unendliche Ebene verteilt.
    Dann wurde alles dunkel. Und es war vorbei.
    Es fühlte sich an, als würde er geboren. Der Schmerz bohrte sich mit einer Million Stiche in jedes Atom seines Fleisches, und Graal hätte schreien mögen. Doch der Schmerz war selbst dafür zu groß. Er quetschte sich heraus aus etwas Weichem, Glattem, Eitergefülltem und Flexiblem, Nachgiebigem. Er landete klatschend auf dem Boden, zitterte, als würde er einen schlimmen Anfall erleiden; feuchtkalte Flüssigkeit strömte mit ihm heraus, bedeckte ihn mit dickem, eisigem Schleim. Er fühlte Hände auf seinem Körper. Sie waren hart, spitz und durchbohrten manchmal zufällig seine Haut. Er wurde in Decken geschlagen und begriff, d ass er blind war, was ihn einen Augenblick lang in Panik versetzte. Handtücher rieben seinen Körper ab, rieben Leben in seine Haut, rieben die schleimige Flüssigkeit aus seinen Au gen, und allmählich drang weiches, diffuses Licht in seine Augen und seinen Schädel. Erst jetzt hustete Graal, würgte einen Strom von zähem Eiter aus, der sich auf dem Boden sammelte und bebend wie dunkles Blut liegen blieb.
    »Du hast es gut gemacht«, erklärte Vishniriak. Der Schnitter klopfte ihm sanft auf die Schulter, in diesem seltenen Moment einer Verbindung.
    Graal konzentrierte sich auf den Schnitter, konnte jedoch einen Moment lang nicht sprechen. Seine Stimmbänder fühlten sich wund an, als wären sie mit einer Feile gerieben worden.
    »Ich fühlte mich wie Gott. Ich fühlte mich wie der Tod«, brachte er schließlich heraus.
    Vishniriak nickte verstehend. Er selbst hatte die Reise der Sendung bereits absolviert. Er wusste genau, was Graal meinte. Die Grenzen des Landes mittels Magie zu bereisen erforderte, ein Teil der Erde zu sein, der Berge, der Ozeane, Wälder und Flussbetten. Es bedeutete, die Identität zu verlieren. Ohne mächtige Bindungen würde ein Verstand einfach brechen. Aber Graal war stark. Graal war sehr stark.
    Graal stand auf, und man brachte ihm seine Kleidung und Rüstung. Er kleidete sich langsam an, fühlte sich alt, älter als selbst das Schwarzspitz-Massiv. Schließlich hatte er die gut geölte Rüstung umgeschnallt und sich mit einem kurzen, schwarzen Schwert gegürtet.
    Er nickte Vishniriak zu. »Ist Kradek-ka eingetroffen?«
    »Ja, General.«
    »Und hat er das Mädchen?«
    »Er hat sie, General.«
    Dann lächelte Graal, und seine Augen schimmerten. »Kell kommt ebenfalls zu uns. Wir müssen uns vorbereiten«, sagte er. »Die Zeit für die Rückkehr der Kriegsfürsten der Vampire ist gekommen.« Mit diesen Worten schritt er selbstbewusst, ja überheblich aus der Kammer tief im Bauch von Skaringa Dak.

14
    BRUTSTÄTTEN
    Die Welt war in Nebel gehüllt. Kell stand auf dem hohen Berggrat, angespannt vor Erwartung. Die Welt um ihn herum schien von einem zerfetzten Schleier bedeckt, durch dessen Lücken man gelegentlich einen Blick auf die gewaltigen Gipfel der Schwarzspitzen erhaschen konnte.
    Der Nebel vor ihm verdichtete sich und verbarg die beiden Seelenfresser. Nur der Canker griff unbeirrt an, und dann zischten weitere Pfeile von den Langbogen der Vachine aus dem Nebel heran. Ilanna zuckte nach links, nach rechts, schlug die Pfeile aus der Luft, während der Canker immer näher kam und trotz seiner massigen Gestalt verblüffend behände über den schmalen, welligen Grat sprang. Er griff Kell mit einem kehligen Fauchen an. Sein Speichel sprühte durch die Luft, und Kells Axt sauste zischend nach links, auf ihn zu. Der Canker duckte sich jedoch unter den Schlag, riss den Pferdeschädel zurück. Mit den Klauen hieb er nach Kell, doch Ilanna wehrte den Schlag ab. Kell trat einen Schritt zurück. Plötzlich löste sich der Nebel um ihn herum auf und gab den Blick auf albtraumhafte Abgründe frei. Kell wich dem nächsten Schlag der gekrümmten Krallen aus, biss die Zähne zusammen und schob das Kinn vor. Seine Miene verdüsterte sich. Er spürte, wie er allmählich in einen blutrünstigen, roten Nebel der Wut glitt …
    Ich helfe, sagte Ilanna.
    Ja, erwiderte Kell.
    Bilder zuckten in einem flackernden Stakkato

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