Kells Rache: Roman (German Edition)
brauchte. Hinter ihm glühten Saarks Augen vor Bosheit.
Sie machten Rast, zwei Stunden vor Tagesanbruch, aßen getrocknetes Pökelfleisch und rieben sich die Glieder warm, die vor Kälte brannten. Saark war ein Stück weitergegangen, um seine Notdurft zu verrichten, und Kell saß dicht bei Nienna, sah ihr besorgt in die Augen.
»Wie geht es dir, Mädchen?«
»Ich habe Angst«, erwiderte sie.
»Wir müssen das tun, verstehst du das?«, fragte er sie. Nienna nickte. »Es gibt keinen anderen Ort, an den wir flüchten können. Diese Mistkerle haben ganz Falanor erobert. Deshalb müssen wir diese Invasion an ihrer Wurzel bekämpfen.«
»Was wirst du tun, wenn wir in Silvatal ankommen?«, wollte sie wissen.
»Ich werde die Uhrwerker suchen, ich werde diejenigen suchen, die die Eiserne Armee kontrollieren, die Graal befehligen. Zuerst werde ich höflich fragen. Wenn sie überheblich antworten, werde ich kämpfen; ich werde ihren obersten Uhrwerker als Geisel nehmen und sie zwingen, ihre Soldaten von unserem Land zurückzuziehen.«
»Glaubst du wirklich, dass du das schaffst?«
Kell nickte. »Ich werde jedenfalls mein Bestes versuchen«, erwiderte er.
»Ein schöner Plan.« Saark näherte sich ihnen auf dem Pfad, der zu dem großen Kreis aus Felsbrocken führte, in dem sie saßen. »Und er hat, soweit ich sehe, nur drei große Fehler.«
»Du hast das alles gehört?«, erkundigte sich Kell.
»Ja, zumindest einen Teil davon.«
»Was genau hast du gehört?«
»Dass du die Uhrwerker suchen und sie als Geisel nehmen willst, solche Sachen.«
»Bei allen Göttern, Jungchen, du hast wirklich ein unglaublich gutes Gehör.«
»Aber nein, nein«, erwiderte Saark. »Ich war schon auf dem Rückweg.«
»Von wegen. Du warst da drüben. Und hast hinter diesen Felsen gehockt. Ich konnte dich riechen. Du stinkst schlimmer als das Parfüm irgendeines Knabenliebhabers.« Kell schüttelte den Kopf, und seine Miene verfinsterte sich. »Und, Jungchen, du bewegst dich unglaublich leise. Hast du mir vielleicht irgendwann einmal erzählt, dass du auch ein Dieb gewesen bist?«
Saark zuckte mit den Schultern und strich sich über das Kinn. »Müssen wir nicht langsam aufbrechen?«, fragte er. »Ich habe das Gefühl, als wären uns diese Seelenfresser ziemlich dicht auf den Fersen.«
»Ja. Es ist jetzt nicht mehr weit«, sagte Kell.
»Nicht weit von was?«
Kell stand auf, reckte sich, und seine Stimmung verdüsterte sich sichtlich. »Die Wurmhöhlen«, antwortete er. »Also mach es dir nicht allzu gemütlich, Jungchen, weil wir ziemlich lange herumschleichen müssen. Die Wurmhöhlen sind kein Ort für Sterbliche. Sie strahlen aus jeder Pore Tod aus.«
»Das kann doch nicht dein Ernst sein«, erwiderte Saark und hob die Brauen. »Du meinst die Valentrio- Höhlen? Mist! Nein, Kell. Ich kenne die Geschichten über die weißen Würmer, die dort hausen. Genau genommen habe ich sie von demselben verdammten Barden gehört, der deine verfluchte rührselige Kells Legende zum Besten gegeben hat. Was nur zeigt, dass diese ganzen Moritaten ein Haufen Pferdemist sind.« Er grinste säuerlich. »Vielleicht sind sie ja gar nicht gefährlich?«
»Sehr komisch.« Kell warf Saark seinen Rucksack zu. »Glaub mir, dort lauert Gefahr im Überfluss. Also geh und entleere deinen Darm. Denn in den Höhlen können wir keine Pinkelpause machen. Gehen wir.«
Nienna folgte Kell, zitternd und alles andere als beruhigt angesichts ihres Gesprächs. Saark bildete die Nachhut. Das Aroma ihres Blutes stieg ihm in die Nase, quälender als je zuvor. Seine Miene verfinsterte sich, und er kniff die Augen zusammen. Verdammt soll dieser Fluch sein!, dachte er bitter. Ich verfluche sie in die Düsteren Hallen! In die Knochenunterwelt!
Der Durchgang war klein und in eine glatte Felswand gehauen, die sonst keinerlei Merkmale aufwies. Es wäre leicht gewesen, die Öffnung zu übersehen, wenn man nicht wusste, dass sie existierte.
Saark trat einen Schritt von dem schwarzen Loch zurück und blickte nach oben, wo eine Inschrift eingraviert war. Er runzelte die Stirn. »Solche Buchstaben habe ich noch nie gesehen«, sagte er und rümpfte die Nase. »Bei allen Göttern, da drin stinkt es vielleicht!«
»Das sind die Leski- Würmer«, antwortete Kell leise.
»Hast du jemals einen dieser Würmer gesehen?«
»Ja, einmal. Aus weiter Ferne. Sie haben Zähne, die so lang sind wie dein Unterarm. Mehr habe ich allerdings nicht wahrnehmen können, weil ich zu sehr damit beschäftigt
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