Kells Rache: Roman (German Edition)
Aufgabe für dich.«
Sie gingen durch die Dunkelheit, folgten einem schmalen Felsenpfad bergab.
»Das ist der reine Wahnsinn«, erklärte Saark mindestens zum zehnten Mal.
»Halt die Klappe!«, erwiderte Kell ungehalten, ebenfalls zum zehnten Mal.
»Wir werden uns unsere verdammten Knöchel brechen, Mann!«
»Möchtest du lieber warten, bis diese Vampirweibsbilder dich erwischen?«, fuhr Kell ihn an. »Also hör auf, den Hofnarren zu spielen, und geh weiter.«
Saark zuckte mit den Schultern und ging weiter. Die Dunkelheit war für ihn kein Problem. Nicht mehr. Seit Shanna ihn gebissen hatte, war seine Sehkraft – und vor allem seine Nachtsicht – zehnmal besser geworden. Jetzt sah die Nacht für ihn aus wie ein grün eingefärbter Sommertag. Er würde keine Probleme mehr haben, des Nachts betrunken über irgendwelche Dinge zu stürzen. Denn für ihn gab es jetzt keine Nacht mehr.
Doch trotz seiner größeren Kraft und Sehkraft, seiner Ausdauer und seiner Selbstheilungsfähigkeiten hatte Saark andere Probleme. Zum Beispiel den Gestank von Blut. Während er hier durch Schnee und Eis in dem peitschenden, eis kalten Wind über die Bergpfade ging, konnte er Kells Blu t deutlicher riechen als alles andere. Und auch der Geruch von Nienna war da, subtiler, zarter, ein süßer Duft. Wie der Geruch von Rosen, verglichen mit dem von Kletten. Aber Saark lernte durch schiere Willenskraft, diese Schwäche zu beherrschen. Oder vielmehr das, was er als einen Makel an seinen neuen Fähigkeiten sah, oder vielleicht als einen Fluch. Es gelang ihm, mittels der Kraft seines Geistes den Drang zu unterdrücken, seine immer noch wachsenden Vampir-reißzähne auszufahren, Kell anzugreifen, ihm die Kehle zu zerfetzen und sein Herzblut zu trinken.
Nur als Kell den Canker getötet hatte, hatte Saark ein richtiges Problem gehabt. Als Kell die Bestie auf der Spitze seiner Axt hoch in die Luft gehoben und über seinem Kopf geschüttelt hatte, sich Blut, Blutöl und Eingeweide in einer Schlachtorgie auf den Kopf hatte fallen lassen. Der Gestank hatte Saark wie eine Kanonenkugel getroffen, war über ihn hinweggerollt wie die explosiven Flammen eines Waldbrandes. Er hatte nur mit Mühe verbergen können, wie sich seine Augen verdrehten, seine Klauen ausfuhren. Aber er hatte es geschafft, nicht auf Niennas Rücken zu springen und ihr das Rückgrat herauszureißen. In diesem Augenblick hatte er Nienna mehr als alles andere auf der Welt gewollt, mit einem tiefen Gefühl und einem unstillbaren Verlangen, das größer gewesen war als alles, was er jemals hatte ertragen müssen. Nicht um mit ihr zu schlafen; Sex war so abgestanden wie ein Becher saurer Milch im Vergleich mit einer Schale dicker, klumpiger Sahne. Nein, sein Verlangen nach Blut, dieser Drang, diese Lust, dieser Hohn, war mächtiger als Sonne und Mond. Und brannte heller als die Sterne.
Nienna hatte sich umgedreht, gesehen, wie er sich ihr näherte, und hatte schwach gelächelt, während sie ihn angesehen hatte. Es war dieses Lächeln gewesen, was den Bann gebrochen hatte. Es hatte die wilde Bestie, die in Saarks Brust heranwuchs, gebändigt. Ohne diese Verbindung aus Liebe und Vertrauen hätte er sie angegriffen und ihr die Seele herausgesaugt.
Und jetzt kämpfte Saark gegen sich selbst.
Er kämpfte gegen die neuen Bedürfnisse, die ihn peinigten, und benutzte die Logik seines Verstandes, um gegen das wachsende Bedürfnis eines aufblühenden, halb infizierten Vampirs zu kämpfen. Alles, was er brauchte, war ein Uhrwerk in seinem Körper. Das würde ihn ganz machen. Dann wäre er eine andere Person, das war ihm klar. Er brauchte nur einen Uhrwerker, dann wäre er nicht länger Saark. Saark war dann tot. Und in seiner äußeren Hülle würde ein Fremder stecken. Er wäre verdorben. Er wäre verloren.
»Verdammt!«, knurrte Saark und ohrfeigte sich selbst in einer Aufwallung seines inneren Aufruhrs.
»Was gibt es denn jetzt schon wieder, Dandy?«, fuhr Kell hoch, drehte sich um und sah ihn finster an. Saark konnte ihn so deutlich erkennen, als wäre es helllichter Tag. Er sah das Pulsieren des Blutes in Kells Kehle. Ihm wurde vor Verlangen der Mund trocken.
»Diese verdammten Vachine!«, erwiderte Saark gereizt. »Muss man sie nicht einfach hassen?«
»Alle ohne Ausnahme«, erwiderte Kell und drehte sich wieder zu dem Pfad herum. »Sie müssen ausgemerzt werden wie ein Nest von Kakerlaken.« Er ging weiter, suchte sich vorsichtig den Weg und half Nienna, wenn sie Hilfe
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