Kells Rache: Roman (German Edition)
bekommst dafür zehn Schwerter in den Rücken«, erwiderte Spilada kurz angebunden.
»Mag sein«, gab Kell grinsend zurück. »Aber du hast dann keine Visage mehr, und deine Augäpfel baumeln auf deinen freiliegenden Wangenknochen.«
»Halt den Mund und geh weiter!«
»Wie du willst«, brummte Kell. Er nickte Nienna zu und lächelte sie aufmunternd an, während er sich den Geröllhang hinaufmühte.
Als sie oben angekommen waren, machten sie eine kleine Pause auf einem Felsvorsprung aus schwarzem Gestein. Unter ihnen führte der Geröllhang zu einem breiten Abhang, der in hallender Schwärze verschwand. Die Atmosphäre war merkwürdig, manchmal eiskalt, so dass sie froren, dann wieder brachte ein Windstoß einen Schwall heißer Luft heran, bei dem ihnen der Schweiß ausbrach. Die Albinos trennten Kell und Saark voneinander, Nienna wurde es jedoch erlaubt, sich neben den Dandy zu setzen.
»Wie geht es dir, Mädchen?«, meinte Saark grinsend, nachdem er wieder zu Atem gekommen war.
»Das war unglaublich anstrengend«, antwortete sie.
»Ja, wir sind keine erfahrenen Bergsteiger, richtig?«
»Nein.« Einen Moment herrschte eine verlegene Pause. Die weißhaarigen Soldaten um sie herum sortierten ihre Ausrüstung, während sie ihre Gefangenen im Auge behielten. Kell saß ganz links und ließ die Beine über einen kleinen Vorsprung baumeln. Sein Gesicht wirkte ruhig, aber seine Augen glühten mörderisch vor Wut. Sie hätten seinen Hass selbst aus einer Meile Entfernung spüren können. »Was passiert jetzt, Saark? Ich habe Angst.«
»Ich weiß es nicht, Kleine«, erwiderte er tröstend. »Aber ich weiß, dass es ein Fehler war hierherzukommen. Kell glaubt, er könnte es mit der ganzen Welt aufnehmen; aber jetzt und hier ist er nur ein gebrochener, gefangener alter Mann.«
»Er ist immer noch Kell«, widersprach Nienna. Sie redete leise, aber in ihren Augen leuchteten Stolz und Glaube. »Er ist die Legende. Er hat Dake, den Axtmann getötet. Er war der Held der Felder von Jangir. Er hat die Schlacht um den Schwarzen Strand entschieden, als er Dakes Kopf zum König gebracht hat. Er war bei der Schlacht am Valantrium-Moor dabei. Er ist ein Held, Saark. Er kann nicht besiegt werden!«
»Er ist vor allem ein Mensch«, erwiderte Saark freundlich und dachte an die andere Seite von Kell, die dunkle Seite von Kell, erinnerte sich an die Mordgier in seinen Augen, in seiner Axt, und dann an dessen Rolle bei den Tagen des Blutes. An all die angeblichen Massaker. An den Kannibalismus. Die Folter. An die Vergewaltigung der Toten …
»Er ist mehr als nur ein Mensch oder ein Mann«, widersprach Nienna voller Hoffnung. »Er ist Kell.«
Saark nickte, nicht bereit, ihr den Mut zu nehmen, sie der Hoffnung zu berauben. Aber dann betrachtete er die zehn Krieger, und ein schmerzliches Gefühl der Realität überkam ihn. Er lächelte, weil er sich diese Soldaten immer noch als Albinos vorstellte. Aber das waren sie nicht. Sie waren … Saark schüttelte sich. Dann zuckte er mit den Schultern. Er hatte keine Ahnung, was sie waren. Insekten? Sie waren Hüllen, das war ihm klar. Sie waren irgendetwas anderes, irgendetwas Altes, das nur in einer menschlichen Hülle lebte.
Kell stand auf, reckte sich, den Rücken zu den Soldaten gewendet. Dann drehte er sich um, und zwei Albinos, die gerade ihre Schwerter schärften, blickten hoch. Sie beobachteten ihn aufmerksam. Er lächelte sie freundlich an und trat näher zu ihnen. »Ich muss mal pinkeln«, erklärte er.
»Da drüben«, meinte ein Soldat und deutete mit einem Ruck seines Kinns auf den Vorsprung.
»Und wie soll ich meine Hose aufmachen? Ihr habt mich f ester verschnürt, als ein Fischhändler seine Börse zubindet. «
»Wir werden deine Fesseln nicht lösen, alter Mann.«
»Dann solltest du herkommen und ihn für mich herausholen.«
»Nein. Ich habe eine viel bessere Idee.« Der Soldat lächelte. Es war ein wächsernes, falsches Lächeln. »Pinkel einfach in die Hose. Ihr alten Krieger stinkt ohnehin alle nach Pisse; angeblich macht ihr euch ja wegen eurer Inkontinenz Einlagen aus Blättern im Wald, aber das glaube ich nicht. Ich glaube, dass ihr einfach eure Hosen mit alter Scheiße auspolstert. Und das alles verstärkt nur den ranzigen Gestank der Legende.«
Kell zuckte gelassen mit den Schultern. »Kein Problem. Wenn du das wirklich willst.« Urin sickerte über einen seiner Stiefel und bildete eine gelbe Pfütze auf dem Stein. Dabei trat Kell noch näher zu den Männern und
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