Kells Rache: Roman (German Edition)
Lippen, sie hatte die Augen in den Höhlen verdreht, so dass man nur das Weiße sah, und die Honigdrogen flossen durch ihre Adern, um sie in diesem notwendigen Zustand des Vergessens zu halten.
Graal breitete die Arme aus und öffnete seinen Verstand. Er spürte den Berg unter sich, in sich, fühlte seine gewaltigen Flöze aus Silber und Gold. Einen Augenblick lang waren sie eins: er, Graal, und Skaringa Dak. Dies war der Berg der Kriegsfürsten der Vampire. Kuradek, der Unheilige, Meshwar, der Brutale, und Bhu Vanesh, der Fresser in der Finsternis. Hört ihr mich, Kinder? , flüsterte er in Gedanken, während seine Essenz durch die gewaltigen Höhlen und Tunnel des Berges strömte, wie ein Geist durch die Brutstätten seiner Eisernen Armee strich.
Wir hören dich, sangen die Seelenfresser.
Habt ihr sie mir gebracht?, flüsterte er.
Wir haben sie dir gebracht, sangen die Seelenfresser.
Dann haben wir die letzte Seelengemme. Er öffnete die Augen und starrte Kradek-ka an. »Wir haben alle drei.« Seine Stimme klang bleiern, und sein Gesicht zitterte, als bekäme er einen Schlaganfall.
»Dann müssen wir uns vorbereiten«, sagte Kradek-ka und legte seine Hand sanft über Anukis’ Brust, wo ihr Herz, das mit den Uhrwerkmechanismen der Vachine verbunden war, mit dem leisen Ticken eines hervorragend konstruierten Zeitmessers schlug.
Unter ihrer Haut glühte etwas, als er sie berührte, reagierte auf Skaringa Dak, auf Graal, das Höllspitz und die Granitthrone. Unter Anukis’ Haut schlug, im Takt mit dem Pulsieren der Uhrwerkmaschinerie, die sie am Leben erhielt, die implantierte Seelengemme. Sie erglühte.
Der Schnee peitschte Vashell ins Gesicht. Er hatte sich in einer schmalen Felsspalte versteckt und starrte mit offenem Mund auf das Plateau des Höllspitz hinunter. »Ich kann es nicht glauben!«, zischte er und warf einen Blick auf Alloria. Sie war vollkommen geschwächt von Kälte und Erschöpfung, obwohl sie in die Felle der Wölfe gehüllt war, die Vashell gehäutet hatte, um sie warm zu halten. »Fiddion hat recht gehabt. Sie versuchen, die Kriegsfürsten der Vampire zurückzuholen!«
Alloria bemühte sich, unter einen überhängenden Felsen zu kriechen, damit sie vor dem Schneesturm geschützt war. Sie würde nicht mehr lange durchhalten, das wusste Vashell, und seine Schuldgefühle brannten in ihm. Aber das hier war etwas anderes. Hier ging es um die Vachine. Das hier war Silvatal. Jetzt, hier an diesem Ort, begriff er, welche unheilvolle Magie sie beschwören wollten … und vor allem war ihm klar, was sie opfern würden, damit sie funktionierte.
Denn das Blutöl allein würde nicht genügen.
Graal brauchte die Seelen der Uhrwerkvampire.
Tausender Uhrwerkvampire.
Aber wie konnte er das bewerkstelligen? Keiner der Alten Texte sprach vom Ritual des Bringens oder des Beschwörens. Außerdem waren die entsprechenden Seiten aus dem Eichentestament geschnitten worden, angeblich vom Ersten Ingenieur des Hohen Episkopats, um zu verhindern, dass das Böse die Welt beherrschte. Die Seiten waren verbrannt worden. Es war der einzige Weg gewesen.
Woher also wusste Graal es?
Du Mistkerl, dachte Vashell. Du willst unser Volk opfern!
Du würdest die gesamte Zivilisation der Vachine opfern! Und wofür?
Um unter den Kriegsfürsten der Vampire zu regieren? Dann begriff Vashell, er begriff den Plan vollkommen und intuitiv. Nein. Graal war viel zu arrogant, zu machthungrig. Er würde versuchen, die Kriegsfürsten der Vampire zu beherrschen. Sie zu kontrollieren. Er wollte nicht unter ihnen dienen, einer von ihnen werden, sondern er wollte ihr Meister werden!
»Du bist wahnsinnig«, flüsterte Vashell. Er wusste, was er zu tun hatte. Er musste sie aufhalten. Wenn die Seelengemmen den Granitthronen präsentiert wurden, musste er reagieren, musste die Träger töten. Oder zumindest musste er die Seelenfresser töten. Denn nur mithilfe der Seelenfresser konnten die Seelengemmen entnommen und für die Beschwörung benutzt werden. So stand es im Eichentestament.
Vashell sah, dass irgendetwas, das mit goldenen Drähten gebunden war, auf die Plattform gezerrt wurde. Es hatte eine schwarze, geriffelte Haut und wimmerte schwach. Es war groß und mächtig, aber unglaublich unterwürfig.
Vashell fühlte Trauer und Stolz. Er empfand Gewissensbisse und eine unglaublichen Verdichtung des Verstandes. Er hatte die Vachine immer geliebt. Er war ein Prinz des Imperiums der Vachine gewesen. Gewiss, seit seiner Unreinheit durch die
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