Kells Rache: Roman (German Edition)
abmühte. Hinter ihm sammelte Skanda zwischen den Bäumen Wurzeln und scharrte keuchend mit den Fingern im Schnee. Der Lärm störte Saarks Gedanken, schöne Gedanken, in denen er sich ausmalte, wie er mit langbeinigen Blondinen auf einem vornehmen, königlichen Ball tanzte, Kaviar von großen silbernen Tellern aß, Honigwein von heißen, feuchten Lippen trank, mit glänzenden Augen und konzentrierter als bei jeder kriegerischen Handlung. Schließlich wirbelte Saark herum, kniff die Augen zusammen, während er die Hand auf seine Wunde presste. »Was machst du da eigentlich, Junge?«, fuhr er den Knaben an. »Du störst meine himmlischen Fantasien!«
Skanda hob drei Knollen und eine Kartoffel hoch und lächelte. »Wir müssen essen, oder? Ich bin Experte darin, Essbares in winterlichen Wäldern zu finden.« Die dunklen Augen des Jungen funkelten. »Es sei denn natürlich, du möchtest lieber verhungern.«
»Und worin willst du diese Wurzeln kochen?«, schnaubte Saark verächtlich. »In deiner blutigen Hose?«
Skanda hob einen kleinen Keramikkopf hoch. »Darin«, erwiderte er schlicht.
»Woher hast du den?«
»Dreißig Schritte weiter liegt ein verfallenes Bauernhaus.«
Saarks Miene verdüsterte sich noch mehr. »Bei Dakes Eiern, warum mühe ich mich dann hier mit einem Feuer ab? Es gibt keinen Schutz! Ein Bauernhaus dagegen wird uns diese Deckung vor Wind und Wetter gewähren! Bei allen Göttern, bin ich denn nur von Idioten umgeben?«
Er untersuchte die Ruinen. Es waren tatsächlich Ruinen: Die Steine waren uralt, moosbedeckt und im Lauf der Jahrhunderte von Regen und Wind abgeschliffen. Es gab kein Dach, sondern nur noch niedrige Mauern, aber wenigstens fand Saark die Reste eines Kamins, der sein Feuer vor dem Wind schützte. Als Kell zurückkam, loderten die Flammen bereits, und Saark hatte mit Skanda einen alten Baumstamm vor den Kamin gezogen. Saark saß davor, hatte die Stiefel ausgezogen und wärmte seine nassen Zehen. Skanda schälte Gemüse und hackte Winterkräuter auf einem flachen Stein.
Kell trat müde durch die baufällige Tür und runzelte die Stirn. »Was ist das hier für ein Ort?«
»Ein Bordell!«, fuhr Saark ihn an. »Wie sieht es denn aus? Setz dich. Skanda macht Suppe. Er hat irgendwelche gesunden Gemüse im Wald gefunden, obwohl ich dir gar nicht sagen kann, was ich für einen Rehrücken und eine fette Fleischsauce geben würde.« Er leckte sich die Lippen, und in seine Augen trat ein verträumter Ausdruck.
»Dann dürfte das hier wohl hilfreich sein.« Kell legte einen Hasen und zwei Kaninchen auf den flachen Stein.
Saark starrte die Tiere an. »Wie im Namen der Chaoshallen ist es dir gelungen, diese Tiere mit einer verdammten Streitaxt zu erlegen?«
Kell zwinkerte. »Alles eine Frage des lockeren Handgelenks, Jungchen.« Dann sah er Skanda an. »Weißt du, wie man Tiere ausnimmt und häutet?«
»Scheißt ein Bär im Wald?«, knurrte der Junge gereizt. Kell lächelte, während er zu Saark trat.
»Ein gerissener kleiner Mistkerl«, meinte Saark.
»Er hat Mumm«, erwiderte Kell. »Das gefällt mir. Und außerdem verdanken wir ihm unser Leben.«
»Aber?«
Kell sah ihn an. »Was meinst du mit aber ?«
»Ich kenne dich schon zu lange, mein Alter. Bei dir gibt es immer ein aber .«
Kells Miene verhärtete sich. »Er ist eine Last.« Der alte Krieger streckte seine Beine aus und legte Ilanna neben sich. Die Schmetterlingsklingen ruhten auf dem Boden, und der Schaft befand sich in Reichweite seiner Hände, falls er sie brauchte, ihre mörderischen Eigenschaften benötigte.
»Soll heißen?«
»Soll heißen, dass ich Prioritäten setzen muss.«
Saark starrte den alten Mann einige Herzschläge lang an. Er analysierte, was er sah, den grauen Bart, das dunkle, graumelierte Haar. Kells Gesicht war zerfurcht und wettergegerbt, und er wirkte älter und müder, als seine zweiundsechzig Jahre hätten erwarten lassen.
Saark zog seine Stiefel an und stand auf. Dann starrte er auf Kell herunter. »Was heißt Prioritäten setzen?«
»Ich muss Nienna retten.«
»Und was hat das mit diesem Jungen zu tun?«, wollte Saark wissen.
Kells Blick wurde hart. Er stand auf und überragte Saark. Plötzlich wirkte er bedrohlich. »Ich werde Nienna finden und Myriam töten … sie und alle, die ihr beistehen. So ist es. Das ist alles, woraus mein Leben besteht. Mich kümmert niemand und nichts anderes. Wenn du das nicht ertragen kannst«, Kells Miene verzog sich zu einer bösartigen Grimasse, »dann …
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