Kells Rache: Roman (German Edition)
erkundigte sich Saark.
»Allerdings.« Kell nickte. »Ich hab hier ein paarmal gelagert. Es ist eine alte Waffenschmiede. Angeblich, jedenfalls habe ich das gehört, wurden hier die feinsten Waffen in ganz Falanor hergestellt, und auch Helme und Brustpanzer!«
»Ist es hier sicher?«
»So sicher wie überall, wenn eine bösartige feindliche Armee in ein Land einfällt. Ich sehe mich um, und ihr wartet hier mit … Mary .«
Saark und Skanda sahen zu, wie Kell eine steile, verschneite Böschung hinunterrutschte, die von Schlingpflanzen überwuchert war. Der hünenhafte Krieger blieb am Fuß der Böschung stehen, musterte das Gelände und suchte nach Fußabdrücken. Dann verschwand er, vorsichtig und mit kampfbereiter Streitaxt. Ein paar Minuten später kehrte er zurück und winkte sie zu sich. Saark und Skanda gehorchten nur zu gerne und beeilten sich, aus dem beißenden, kalten Wind zu entkommen. Trotz ihrer neuen Wolljacken und ledergefütterten Umhänge aus dem Bauernhaus kroch ihnen die Kälte immer noch bis in die Knochen. Falanor im Winter war nicht gerade der beste Ort für eine Reise, und ganz gewiss war es nicht ratsam, ein Lager im Freien aufzuschlagen.
Sie rutschten den verschneiten Hügel hinunter. Die Hufe des Esels gruben sich tief in den Boden ein. Dann band Saark Mary vor der verlassenen Waffenschmiede fest und trat durch die niedrige Tür. Skanda folgte ihm auf dem Fuß.
Kell stand in der Mitte des Raumes, die Hände auf den Hüften, und sah sich um. Sie befanden sich in einer riesigen, langen, niedrigen Werkstatt. An den Wänden standen Werkbänke, die in regelmäßigen Abständen L-förmig aufgebaut waren. Insgesamt standen etwa fünfzig davon in dem dämmrigen Raum. Außerdem standen an den schwarzen, verrußten Wänden seltsame eiserne Öfen und Maschinen mit Griffen und Röhren und eigenartigen Zahnrädern. Sie alle bestanden aus schwarzem Eisen, und viele von ihnen waren bereits bis zur Unkenntlichkeit verrostet.
»Das steht schon eine ganze Weile leer«, erklärte Saark. Er flüsterte, ohne zu wissen warum.
»Stimmt«, erwiderte Kell und nickte. »Kommt weiter. Hier ist es zu kalt, aber es gibt etliche Nebenräume. Ich glaube, Reisende haben diesen Ort jetzt seit nahezu zwei Jahrzehnten als Unterschlupf genutzt. Vielleicht hat ja irgendjemand ein Feuer vorbereitet.«
Saark und Skanda folgten Kell durch die riesige Kammer. Ihre Blicke zuckten immer wieder zu den verlassenen Bänken hinüber, wo die uralten Werkzeuge auf den Holzplanken lagen. »Es sieht fast so aus, als wären sie überstürzt aufgebrochen.« Saark folgte mit den Blicken den Umrissen der verrosteten Werkzeuge. Es gab Hämmer und Zangen, Feilen und Kneifzangen und dazu seltsam geformte Werkzeuge, die Saark noch nie zuvor gesehen hatte. Aber schließlich war er ja auch Schwertkämpfer, kein Waffenschmied.
Kell näherte sich einem Nebenraum; die Tür war geschlossen, und er blieb plötzlich stehen. Er drehte sich um und starrte Saark an. Nach einem Moment des Zögerns trat er vor und zog die Tür auf …
Das schwarze Langschwert schlug nach seiner Kehle, doch Kell wich mit unglaublicher Geschwindigkeit zurück, während seine Axt hochfuhr und der Dorn an ihrer Spitze eine lange Mulde aus zerfetztem Fleisch im Gesicht des Albino-Soldaten grub. Das Kinn und die Nase des Mannes verschwanden wie geschmolzenes Wachs in einem Nebel von milchig weißem Blut. Er schrie, während Kell mit seiner s chimmernden Axt ausholte, die Augen zusammenkniff un d schrie: »Eine Falle! Sie haben uns kommen sehen! Passt auf!« Er trat vor und zerteilte mit einem mächtigen Schlag den Schädel des Soldaten. Dann drehte er dem kleinen Raum den Rücken.
»Sie?«, erkundigte sich Saark, während er sein schlankes Rapier zückte. Im nächsten Augenblick starrte er mit offenem Mund auf die Flut von Albino-Kriegern, die durch die dämmrige, alte Waffenschmiede auf sie zu stürmten. Sie gaben keinerlei Schlachtrufe von sich, man hörte nur eine unheimliche Stille – abgesehen vom Stampfen ihrer Stiefel.
Ein Soldat stürzte sich auf Saark, der den Schlag des Mannes mit klirrendem Stahl parierte. Er wehrte den ungeschickten Angriff ab und zog seine Klinge durch die Kehle des Angreifers. Das Fleisch öffnete sich und teilte sich, ohne dass Blut herausströmte. Als würde man einer Leiche die Kehle durchschneiden, dachte Saark gereizt. Doch dann verschwanden alle Bilder aus seinem Hirn, als er die Zahl der feindlichen Soldaten in der Waffenschmiede
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