Kells Rache: Roman (German Edition)
aussprach. Unbewusst berührte er seinen Hals erneut.
Skanda nickte. Seine Miene war düster und undurchdringlich. »Eine kleine Weile noch, jedenfalls«, antwortete er.
»Was wird mit mir passieren?«
»Es wird dauern. Es wurde nicht beendet. Du wirst es selbst erleben.«
»Ihr seid uralte Feinde? Die Ankarok und die Vachine?«
»Ja. Aber wir kommen zurück, Saark. Wir wurden gerufen. Und sie können nicht das Geringste dagegen tun.«
»Ihr könntet uns helfen!«, zischte Saark plötzlich. »Helft uns, die Albinos zurückzuschlagen, sie hinter die Schwarzspitzen zu drängen!«
»Wir haben etwas weit Radikaleres im Sinn«, gab Skanda zurück. Dann wirbelte der kleine Junge einmal um seine Achse und war verschwunden. Saark war verwirrt, aber trotz seiner Verwirrung war ihm eines klar: Dies war eine Art Abschied, als hätten Saark und Kell ihn weit genug mitgenommen. Jetzt war Skanda stark genug, um alleine zu reisen und auch um alleine zu kämpfen. Dann wurde Saark schwindlig, und er übergab sich, kniete sich zwischen die Glasscherben und die zertretenen Panzer von Hunderten von Insekten und erbrach sich erneut auf die Bodendielen.
Schließlich rappelte er sich wieder hoch, nahm sein Rapier und schob es mit dem dritten Versuch in die Scheide. Dann taumelte er zu dem zerborstenen Fenster. Draußen tobte das Chaos. Die Schwarzlippler, die Vagabunden aus dem Schwarzspitz-Massiv, waren auf einem Raubzug. Das Feuer vernichtete die Siedlung. Saark lächelte bitter; die Dorfbewohner hatten alles getan, um den suchenden Blicken der Eisernen Armee zu entgehen. Und dadurch hatten sie sich einer weit naheliegenderen und ebenso bösen Bedrohung ausgeliefert.
Während Saark hinuntersah, bemerkte er eine große Gestalt, die durch die Straßen schritt. Sie hatte einen Vollbart und trug eine Weste aus Bärenfell, in der sie noch größer aussah, als sie ohnehin schon war. Saark sah, wie zwei Schwarzlippler Kell mit gezückten Schwertern angriffen. Ihre Waffen funkelten, und Saark wollte schon eine Warnung rufen. Aber die Worte brannten in seinem Hals wie Erbrochenes. Kell wirbelte im letzten Moment herum. Seine Augen loderten, versprachen düsteren Tod. Seine Axt fuhr hoch und zerteilte einen Angreifer von den Lenden bis zum Brustbein, so dass seine Eingeweide und halb verdaute Brühe aus seinem Leichnam spritzten. Knochensplitter schimmerten weißlich im Schein der brennenden Häuser. Dann drehte sich die Axt und zischte zur Seite. Der Kopf des anderen Schwarzlipplers wurde vom Hals getrennt und rollte über den Boden. Die schwarzen Lippen schmeckten den gefrorenen Schlamm. Saark ging in die Knie. Sein Hals pulsierte, sein Blut pulsierte, seine Adern brannten, als wollten sie aus seinem Körper heraus, und er sank auf einer Decke aus Glasscherben und zermalmten Insekten in das Reich wohltuender Bewusstlosigkeit.
Saark hustete. Er schien in Honig zu schwimmen; die Welt war perfekt, er war perfekt. Er richtete sich auf. Ihm verschwamm alles vor den Augen. Dann auf einmal schien die Welt so … so klar zu sein. Er stand auf, Glas zerbrach unter seinen Füßen, und ein Schmerz stach ihm in den Hals. Ihm fiel der Biss wieder ein, doch noch während er daran dachte, wurde die Erinnerung allmählich schwächer, verwehte wie eine Rauchfahne. Er hatte Geschichten über die wilden Marschen im Osten Falanors gehört, wo sich winzige Kreaturen im Wasser tummelten, die einem das Blut aussaugten. Sie hängten sich an einen Menschen, einen gestürzten Esel oder eine verirrte Kuh, und injizierten ein betäubendes Gift an der Bissstelle, bevor sie dann lange und genüsslich der Kreatur das Blut aussaugten. Der Mensch oder das Tier, die nicht merkten, dass irgendetwas nicht in Ordnung war, wurden von diesen Blutsaugern förmlich leergesaugt. Hängten sich drei oder vier von ihnen an einen Wirt, wurde der erst schwach, bekam dann Schwindelanfälle und starb schließlich. Jetzt überkam Saark das Gefühl, als hätte sich ein solcher blutsaugender kleiner Mistkerl an ihn gehängt; aber irgendwie wollte der Gedanke keine richtige Form annehmen. Und noch während er das dachte, schien der Gedanke sich zu umwölken und löste sich auf. Er sah Kell draußen auf der Straße, warf einen kurzen prüfenden Blick auf sein Rapier, lief dann die Treppen hinab und durch die verlassene Schänke auf die Straße.
»Wo ist Skanda?«, schnauzte Kell ihn an, als er Saark sah.
»Mir geht es blendend, vielen Dank der Nachfrage!«, fuhr Saark ihn an. Seine
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