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Kells Rache: Roman (German Edition)

Kells Rache: Roman (German Edition)

Titel: Kells Rache: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Remic
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sie normale Proportionen. Doch bei näherer Betrachtung wurde Nienna klar, dass nicht nur alle senkrechten Mauern, sondern auch ihre Wahrnehmung schief gewesen war. Sie war groß. Nein, sie war größer als groß. Sie war gewaltig, aber gleichzeitig auch vollkommen außerhalb aller bekannten Proportionen. Die Türen boten einem Mann Raum, der zweimal so groß war wie normal, und jeder Durchgang, jede Passage, jedes Fenster oder jede Schießscharte schien doppelt so groß wie normal. Als wäre die Festung erbaut worden, um eine Armee von Giganten zu beherbergen.
    Sie ritten langsamer, als sie sich den Haupttoren näherten, die offen standen wie das Maul eines schlafenden, wartenden Raubtieres. Myriam blieb stehen, und ihr Pferd scharrte nervös auf der gefrorenen Erde. Ein warmer Wind wehte seufzend aus dem Eingang, in einem ruhigen Rhythmus, fast wie Atemzüge.
    Myriam drehte sich um und lächelte angespannt. »Hab keine Angst«, sagte sie und ritt voran in diesen Gang aus Dunkelheit.
    Aus den Rändern der Welt stürzten sich Schatten auf sie, in einem taumelnden, wirbelnden Zischen, als wären eine Million Schlangen im Strudel eines Sturmes gefangen. Nienna hob die Hände und legte sie auf ihre Ohren, umfasste ihren Kopf, während sie die Augen aufriss und ihr Pferd vor Furcht schrill wieherte. Es senkte den Kopf, und seine Hufe trappelten laut auf uralten Pflastersteinen. Als sich ihre Pupillen an die Dämmerung gewöhnt hatten, sah sie die verschwommenen Schatten der Toten, die sich Myriam näherten … und sich dann abwandten, ihre ausdruckslosen, schwarzen Gesichter herumdrehten, fokussierten, fixierten, sich neigten und sich dann auf Nienna stürzten, mit einem körperlosen Schrei, einem verschmolzenen, tausend Jahre alten Brüllen der Qual …

8
    BLUTSCHANDE
    Kell drehte sich alles im Kopf, und er schmeckte Silber im Mund … wie während der Tage des Blutes. Das Gift strömte durch seine Adern, seine Organe, durch sein ganzes System. Es pulsierte im regelmäßigen Schlag seines Herzens, der Whisky wurde ignoriert, und er war wieder nüchtern. Sie kniete über ihm, wunderschön, faszinierend, tödlich. Ihr helles silbernes Schwert hielt sie in der Hand, und ihre Reißzähne schimmerten im Licht der Sterne wie die eines Vampirs. Der Anblick schien Kell zu verbrennen, die Schande brannte in ihm. Er sah den König, den alten, ernsten Mann, dessen Augen sich in die von Kell bohrten und in die der anderen Krieger, die den Blutpakt ablegten. Ihr Lebenssaft pulsierte aus den Schnitten an ihren Handgelenken, vermischte sich in der goldenen Schlüssel, strömte durch Kanäle, schmale Röhren und in die Waffen hinein, die in einem inneren, schwarzen Licht zu glühen schienen. Kell bückte sich und hob Ilanna auf. Durch diese dunkle Weihe war sie die seine.Es wird nie wieder sein wie zuvor, und ich werde immer bei dir sein, flüsterte sie.Ich werde dich niemals im Stich lassen, Kell, vertrau mir. Ich werde dich niemals verlassen. Das berührte eine Saite in ihm, berührte jeden einzelnen, kribbelnden Nerv in seinem von Drogen malträtierten Körper, denn sie hatte einst sein Bett verlassen, sein Haus, sein Leben, trotz ihrer Schwüre, ihrer Versprechungen. In jenem Moment riss Kell den Hochzeitsring vom Finger und schleuderte ihn in die Dunkelheit des Kellers unter dem Tempel in Vohr. »Ich werde nie wieder Sklave sein«, flüsterte er, ohne die Ironie dieses Versprechens zu bemerken. Denn ein Mann, der mit einer Waffe ein Blutband einging, um der Alten Kunde zu folgen und den Wasseradern des Eichentestamentes, begab sich freiwillig für alle Ewigkeit in die Sklaverei.
    »Nein«, zischte Kell jetzt. Plötzlich war er wieder jung und stark und unsterblich, wirbelte rasend schnell herum, ein Schemen mit einer kaum wahrnehmbaren Bewegung. Tashmanioks Schwert zog eine brennende Spur auf seiner Wange und prallte dann mit einem knirschenden Kreischen auf den Boden. Kell griff beinahe beiläufig unter seinen Arm, zückte den leicht gebogenen Dolch, seinen Svian, und rammte ihn Tashmaniok in den Unterleib. Sie keuchte und versteifte sich, nach wie vor rittlings auf ihm sitzend. Er kroch unter ihren Beinen hervor, während er sie auf dem Messer aufgespießt hielt, bis sein bärtiges Gesicht auf gleicher Höhe mit ihrem war. Sie schlug mit dem Schwert nach ihm, aber er wehrte den Schlag ab, riss nur einmal heftig an dem Svian. Tashmaniok rang erneut keuchend nach Luft, denn zwanzig Zentimeter Stahl hatten sich tief in ihren

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