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Kelwitts Stern

Kelwitts Stern

Titel: Kelwitts Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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nur der Deckname, schließlich verstand Hermann Hase sich als Profi. Kaulquappe war einer, dem er vertrauen konnte. Das war entscheidend, nachdem ihn seine Abteilung offensichtlich im Stich gelassen hatte.
    Es dauerte lange, bis jemand abhob, und die Stimme, die sich meldete, klang höchst verschlafen und nannte gänzlich unprofessionell den richtigen Namen. Auch als er etwas indigniert »Hier ist Ochsenfrosch«, sagte, kam nur ein erfreuter Aufschrei: »Mensch, Hermann! Wie geht’s? Ewig nichts mehr gehört von dir …!«
    Also gut. Er hatte sich längst damit abgefunden, dass nur wenige sein Verständnis von Sorgfalt und Verantwortung teilten, und so überging er den offensichtlichen Lapsus und erzählte, soweit es ihm am Telefon ratsam erschien, von dem Flugkörper, der vom Himmel gefallen war. Dass sich ein Außerirdischer an Bord befunden hatte und dass er diesen schon in seinem Gewahrsam gehabt hatte, erzählte er nicht; dazu würde später Gelegenheit genug sein, sollte Kaulquappe auf seinen Vorschlag eingehen.
    »Klingt interessant«, meinte Kaulquappe denn auch. »Und du hast gecheckt, dass das kein Ding der Amis war?«
    »Ja. Auch kein russisches.«
    »Allerhand. Aber warum hast du es nicht gleich gemeldet?«
    »Hab ich. Aber man glaubt mir nicht, weil die Luftüberwachung nichts registriert hat.« Das war gelogen, aber in diesem Fall heiligte der Zweck die Mittel. »Lass uns einen Treffpunkt ausmachen, zu dem Aufschlagpunkt fahren und alles untersuchen. Allein schaff ich das nicht, aber wir beide … wie in den alten Zeiten …«
    »Hmm«, hörte er. Kaulquappe schien andere Erinnerungen an die alten Zeiten zu haben. Aber schließlich siegte die Neugier. »Also gut. Wann und wo?«
    »So bald wie möglich. Heute. Nachher.«
    »Heute nicht. Ich hab noch eine Observation. Morgen hab ich frei, da könnte ich runterdüsen.«
    Morgen. Da konnte es zu spät sein. Das waren vierundzwanzig Stunden, in denen viel passieren konnte. Hermann Hase versuchte, in diesem Sinn auf Kaulquappe einzuwirken, aber der ließ sich nicht erweichen, und so einigten sie sich schließlich auf den nächsten Tag, morgens um neun Uhr.
    »Und wo?«
    Das hatte Hase sich schon überlegt. Der Treffpunkt durfte kein Ort sein, der bereits auf das tatsächliche Ziel hinwies. Und er musste es so formulieren, dass ein möglicher Mithörer nichts damit anfangen konnte. »Erinnerst du dich an die Autobahnraststätte an der A 8, auf der wir mal einen russischen Agenten verhaftet haben?«
    »Der sich dann als polnischer Zigarettenschmuggler entpuppt hat?«, ergänzte Kaulquappe. »Ja, ich erinnere mich. Gut, treffen wir uns dort.«
    »Ich hab dir doch gesagt, ich hole dich ab, sobald es so weit ist«, sagte Emma, die nicht wollte, dass man sie Emma nannte.
    Thilo nestelte an dem raschelnden, metallverkleideten Hörerkabel herum und drückte sich tiefer in die dunkle Ecke der Telefonzelle. Man brauchte ihn hier nicht zu sehen. Schlimm genug, dass er kein Handy besaß wie die meisten in seiner Klasse.
    »Und wann wird das sein?«, fragte er. »Noch vor Weihnachten?«
    Sibylla schwieg eine Weile. Befragte wahrscheinlich die Geister. »Nein, ich denke nicht. Ich weiß es nicht bestimmt, aber ich glaube nicht, dass es vorher ist.«
    »Dann könnte ich doch noch mal zu dir kommen.«
    »Ich weiß nicht …«
    »Aber das ist so lange hin!« Thilo wippte unruhig auf und ab. Sein Blick suchte die Uhr über dem Schulhof. Die große Pause war zu Ende, er musste machen, dass er zurück ins Klassenzimmer kam. Er ärgerte sich, dass er hier so endlos rumdiskutieren musste und dass sie sich so anstellte, aber er wollte es so sehr wieder haben. So nannte er es bei sich. Es haben. Dieses unglaubliche Gefühl, das mit nichts anderem zu vergleichen war. Wenn er an ihren großen, weichen Körper dachte, dann zerrte eine Sehnsucht in seinem Bauch, dass es ihm schier die Eingeweide rausriss.
    »Also gut«, meinte sie endlich. »Morgen Nachmittag. Um drei. Aber um fünf habe ich wieder einen Klienten!«
    »Okay!«, rief Thilo erleichtert. »Morgen um drei. Tschüss!« Im nächsten Augenblick warf er den Hörer auf die Gabel und rannte los.
    Nora stand gegen die Tür des Kühlschranks gelehnt und beobachtete Kelwitt, wie er auf der anderen Seite des Küchentischs saß und aufmerksam eine Reihe von Lebensmitteln studierte, die sie ihm hingelegt hatte. Sie stand einfach da, ohne besonderen Grund. Nicht weil sie Abstand halten wollte von diesem Wesen, sondern einfach so. Weil

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