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Kelwitts Stern

Kelwitts Stern

Titel: Kelwitts Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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sie gern hier stand, an der Kühlschranktür. Ein bequemer Platz.
    »Vielleicht muss ich demnächst etwas Nahrung aufnehmen«, hatte ihr Besucher aus dem All gesagt. Es hatte geklungen wie: Vielleicht muss ich den Wagen mal in die Werkstatt bringen.
    Wenn diese Wesen nur alle zehn oder zwanzig Tage essen mussten, was um alles in der Welt taten die dann die ganze übrige Zeit?
    Nun stand er da und betrachtete eine Mohrrübe, eine Scheibe Brot, einen Mohrenkopf, ein Stück rohes Rindfleisch, eine Kartoffel, einen Apfel, eine Auswahl von Nüssen, eine Hand voll Petersilie, eine Zwiebel, Salz und Zucker auf zwei Unterteilen!, eine Schale voll Haferflocken, ein Glas Milch, ein Glas Orangensaft. Er fasste die Sachen nicht an, sondern schien nur daran zu riechen.
    Obwohl, von seinem eigenartigen Mund, der Nora in diesem Augenblick eher an die Öffnung eines Müllschluckers denken ließ als an einen Mund, gingen ein paar haarfeine Borsten oder Fühler aus, und es schien Nora, dass er damit die Lebensmittel berührte. Jedenfalls würde sie die Sachen nachher wegwerfen, sicherheitshalber. Und diskret natürlich, damit er sich nicht verletzt fühlte.
    »Wie nennt man das?«, wollte er wissen, auf die Kartoffel und den Apfel deutend.
    »Das eine ist eine Kartoffel, das andere ein Apfel«, erklärte Nora hastig.
    »Darf ich diese beiden einmal probehalber zu mir nehmen? Kostenlos und unverbindlich?«
    Nora machte unwillkürlich eine rasche, beinahe wegwerfende Geste mit der Hand und verschränkte die Arme dann wieder. »Ja, bitte, selbstverständlich. Iss, was du magst. Wir haben auch noch mehr Äpfel, und Kartoffeln kistenweise.«
    »Nein, ich muss erst einmal probieren, wie bekömmlich sie für mich sind, ehe ich die ganze Vielfalt genieße.«
    »Soll ich sie dir irgendwie zubereiten? Kochen? Anbraten?«
    »Vorsorge mit Weitblick«, kommentierte Kelwitt und nahm die Kartoffel in die Hand. »Der neue Trend.«
    Nora zuckte die Schultern. »Na gut, dann eben nicht.«
    Kelwitt führte die Kartoffel an den Mund. Nora hatte sie gründlich gewaschen, aber nicht geschält. Nun beobachtete sie mit gelindem Grausen, wie sich Kelwitts Mundöffnung in einer blitzschnellen, an den Irisverschluss eines Fotoapparats erinnernden Bewegung öffnete und eine Vielzahl langer, dünner Stacheln oder Zähne oder was auch immer herausschossen, die sich über der Kartoffel zu einem wirbelnden, für Augenblicke vielfach glitzernden Strudel trafen. Im nächsten Moment waren die Beißwerkzeuge wieder verschwunden, und von der Kartoffel fehlte ein beträchtliches Stück.
    »Fruchtig-frisch«, erklärte Kelwitt und ließ seinen Mund ein paar Mal ins Leere schnappen, während er die Bissfläche auf der Kartoffel betrachtete. »Stärkt die natürlichen Abwehrkräfte, nehme ich an. Ein Hochgenuss mit locker-leichter Remouladensoße.«
    »Möchtest du Remouladensoße dazu?«, warf Nora unwillkürlich ein und schüttelte sofort den Kopf über sich. Ein Wesen aus dem All, das nicht einmal wusste, wie eine Kartoffel schmeckte, würde wohl kaum von sich aus das Bedürfnis nach Remouladensoße verspüren.
    Kelwitt wiegte nachdenklich den Kopf, als habe er vergessen, wie man ihn schüttelt. »Ich glaube«, sagte er dazu, »ich warte nun erst einmal auf die Risiken und Nebenwirkungen.«
    An diesem Morgen, als sie in S’briinas Raum saßen, fiel ihm ein, dass er ja einmal einen der Planetenbewohner nach der Bedeutung der Begriffe »Mann« und »Frau« fragen wollte.
    »Das sind Bezeichnungen für die beiden Geschlechter«, erwiderte S’briina.
    »Ja«, bestätigte Kelwitt und führte die irdische Zustimmungsgeste aus. »Und was ist ein Geschlecht?«
    S’briina schaute ihn an und sah, soweit er das beurteilen konnte, etwas ratlos aus. »Also, ein Geschlecht … Ja, wie soll ich das erklären? Es gibt Männer, und es gibt Frauen. Das sind die beiden Geschlechter.«
    »Das sagtest du bereits. Die Frage war, was der Begriff ›Geschlecht‹ bedeutet.«
    »Ja, ja. Natürlich. Das ist bloß nicht so leicht zu erklären. Es hat jedenfalls mit der Fortpflanzung zu tun.«
    »Fortpflanzung ist der Vorgang der Arterhaltung.«
    »Ja, genau.«
    »Und was hat ein Geschlecht mit der Arterhaltung zu tun?« Das war alles äußerst verwirrend. In dem Buch, das in seltsamer Reihenfolge allerhand Begriffe erläuterte und das die Erdbewohner »Lexikon« nannten, hatte er nichts darüber gefunden.
    »Das muss es doch bei euch auch geben«, meinte S’briina. »Woher kommen denn die

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