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Kelwitts Stern

Kelwitts Stern

Titel: Kelwitts Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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verschiedenen Knöpfen herum und stopfte das Gerät, als es ihm nicht gelang, es zum Schweigen zu bringen, tief in einen Wäschewagen, der vor der Tür zur Chirurgischen Station stand. Blöde Technik.
    Endlich hatte er das Erdgeschoss erreicht und den Ausgang. Die Frau an der Pforte warf ihm nur einen gleichgültigen Blick zu, als er hindurchschoss und in das einzige Taxi sprang. Das hatte gerade einen alten Mann mit Herzbeschwerden abgeladen, und als Hermann Hase das Fahrziel nannte – die Adresse seiner Wohnung –, drehte sich der Taxifahrer, der eigentlich schon vor dieser Fahrt hatte Feierabend machen wollen, unwillig um und meinte: »Sagen Sie mal, wissen Sie, wie weit das ist?«
    »Keine Ahnung«, entgegnete Hase, der nicht einmal wusste, in welcher Stadt er sich befand.
    »Das wird ’ne Sonderfahrt, wenn Sie da wirklich mit dem Taxi hinfahren wollen. Sonderfahrt und Nachtzuschlag.«
    Er nahm den Clip mit dem Ausweis darin ab und hielt ihm dem Fahrer vor die Nase. »Ich bin Arzt, Mann. Es geht um Leben und Tod. Fahren Sie los!«
    »Haben Sie denn nicht mehr diese hübschen weißen Autos mit Blaulicht drauf?«
    Hase spähte aus dem Fenster. Die Frau an der Pforte hatte den Telefonhörer am Ohr und machte immer größere Augen, während sie zuhörte. »Glauben Sie, ich würde ein Taxi nehmen, wenn die nicht alle unterwegs wären?«, versetzte er so unwirsch wie möglich. »Wenn Sie einen Prozess wegen unterlassener Hilfeleistung an den Hals wollen, dann bleiben Sie nur weiter hier stehen.«
    »Okay, okay«, maulte der Taxifahrer und gab Gas.
    Durch die Windschutzscheibe sah Hermann Hase, wie die Frau aus der Pforte gerannt kam und die Hände hob.
    Im nächsten Augenblick waren sie um die Ecke verschwunden.
    »Eigentlich ist er ganz nett«, meinte Nora und kuschelte sich in seine Armbeuge.
    »Wer? Kelwitt?«
    Wolfgang Mattek schob ein paar ihrer Haarsträhnen beiseite, die ihn am Hals kitzelten.
    »Wenn ich ihn ansehe, denke ich immer, es ist Flipper. Die alte Fernsehserie, weißt du? Als Kind habe ich die immer gesehen. Ich schau’ ihn an und denke, Flipper sind Arme und Beine gewachsen und er ist uns besuchen gekommen.«
    »Mmh.« Draußen fuhr ein Auto vorbei, und der Lichtstrahl der Scheinwerfer ließ die Lärche vor ihrem Schlafzimmerfenster aufleuchten. »Ich habe noch keine drei Worte mit ihm gewechselt. Ganz schön dumm. Ich meine, wann hat man schon mal die Gelegenheit, mit einem Außerirdischen zu reden?«
    »Die Kinder verstehen sich gut mit ihm. Wahrscheinlich, weil er selber auch noch jung ist. Das hat er doch gesagt, oder?«
    »Ja. Sozusagen ein Teenager. Was mich darauf bringt, dass wir uns noch nicht überlegt haben, was mit Sabrina werden soll.«
    Nora seufzte.
    »Mit Sabrina, ja … Lass uns morgen darüber nachdenken, einverstanden?«
    »Morgen«, wiederholte Wolfgang Mattek und drückte seine Frau an sich. »Einverstanden.«
    »Was hast du eigentlich gegen Träume?« Sabrina saß bei Kelwitt auf dem Badewannenrand und sah ihm zu, wie er sich für die Nacht einrichtete.
    »Man redet nicht gern über dieses Thema«, meinte Kelwitt. Es klang tatsächlich, als sei ihm das unbehaglich.
    »Wieso denn nicht? Jeder träumt doch, was ist da dabei? Ich hab mal gelesen, dass jeder Mensch jede Nacht mindestens fünf Träume hat. Ist das bei euch anders?«
    Kelwitt drehte sich hin und her, als suche er nach der geeignetsten Schlafposition. Sabrina hätte zu gern gewusst, was sich in den wulstigen Falten zwischen seinen Beinen und an der Unterseite seines Bauches verbarg, aber das war nun ein Thema, über das sie sich scheute zu reden.
    »Wir reden nicht gern über Träume«, wiederholte Kelwitt. »Wir geben nur ungern zu, dass wir überhaupt welche haben.«
    »Aber ihr träumt auch.«
    »Es kommt vor, ja.«
    »Und was ist daran so unanständig?«
    Kelwitt zögerte. »Wir glauben, dass Träume Ermahnungen sind. Warnzeichen, wie Schmerz.«
    »Ich kenne eine Menge Leute, die ihre Träume deuten. Manche schreiben jeden Morgen auf, was sie geträumt haben, und wenn man weiß, wie es geht, kann man herausfinden, was die Träume zu bedeuten haben.«
    »Ist das eine Art Orakel?«
    »So was Ähnliches. Botschaften des Unterbewusstseins, sagt man.«
    »Ich verstehe«, meinte Kelwitt und versank in Nachdenken. Vielleicht unterhielt er sich auch nur mit Tik, denn die Sprechöffnung auf seinem Kopf bewegte sich ein wenig. »Nein, das stimmt so nicht«, meinte er schließlich. »Jamuuni lehrt, dass

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