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Kelwitts Stern

Kelwitts Stern

Titel: Kelwitts Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Fakten.«
    »Aber offensichtlich sind die Menschen nicht ausgestorben.«
    »Ja«, musste Kelwitt zugeben. »Das ist wirklich schwer zu verstehen.«
    In diesem Moment klopfte es, und S’briina kam herein. Ein Frau-Mensch, rief Kelwitt sich in Erinnerung. Er musste sie bei Gelegenheit fragen, was sie vom menschlichen Fortpflanzungsprozess hielt.
    »Hallo, Kelwitt!«, sagte sie. »Wie geht es dir?« Es gehe ihm gut, erwiderte Kelwitt höflich.
    »Wie gefällt dir das Buch?«
    Schwer zu sagen. »Sehr interessant«, meinte er schließlich vage.
    Aber es schien sie nicht wirklich zu interessieren, wie ihm das Buch gefiel. »Ich wollte dich etwas fragen«, begann sie. »Das heißt, eigentlich Thilo und ich …«
    Es war alles ruhig im zweiten Stock des Altersheims. Ein dunkelgrüner Teppichboden bedeckte den Boden des breiten Flurs wie moosiger Rasen, Rollstühle, Infusionsständer und gerahmte Kupferstiche schmückten die Wände, niemand war zu sehen oder zu hören. Sie schlossen die schwere, feuerfeste Stahltür des Notausgangs hinter sich. Thilo gestattete sich ein triumphierendes Grinsen. Kelwitt zog den Parka aus, und er schien froh zu sein, das endlich tun zu können.
    »Brauchst du Wasser?«, fragte Sabrina ihn halblaut. Sie trug seine Wachsdecke und eine Plastikflasche mit Wasser in einer Umhängetasche bei sich.
    Kelwitt schüttelte den Kopf, sah sich um, während er Thilos Parka auf eigenartige Weise zusammenlegte. »Ich finde es befremdlich, dass ihr eure altgewordenen Artgenossen verstoßt«, erklärte er. »Wir behalten die Alten bei uns im Nest, bis sie sterben. Und dann übergeben wir ihre Körper dem Meer.«
    »Ja, ja«, sagte Thilo. »Ihr seid gut und weise, das ist schon klar. Komm jetzt.« Er drängte sie zur ersten Tür auf der rechten Seite, klopfte kurz an und machte dann auf, ohne eine Aufforderung abzuwarten. Sie marschierten hinein, irgendwie, ein bunter Haufen – doch dann, als sie Wilhelm Güterling sahen, blieben sie unwillkürlich stehen.
    Da saß er, in seinem Rollstuhl, hochaufgerichtet, in seinem besten Anzug und hellwach. Der Rollstuhl mitten im Zimmer, als habe er darauf gewartet, abgeholt und woandershin gefahren zu werden. In seinem Gesicht war ein Ausdruck feierlicher, geradezu hochachtungsvoller Erwartung, und es war dieser Ausdruck, der Sabrina und Thilo veranlasste, stehen zu bleiben wie jemand, der unbedacht in eine Kirche gestolpert kommt und plötzlich gewahr wird, wo er sich befindet. Selbst Kelwitt schien beeindruckt; er trat langsamen Schrittes vor den alten Mann hin, und dann blieben die beiden eine ganze Weile so, sahen einander an und sagten nichts.
    Schließlich brach Güterling das Schweigen. Ein feines Lächeln schimmerte in seinem Gesicht auf, als er langsam die rechte Hand hob wie zu einem Schwur. »Ich grüße Sie«, sagte er mit bebender Stimme, »und heiße Sie auf der Erde willkommen.«
    Kelwitt ahmte die Geste nach. »Ich bin schon eine ganze Weile hier«, erklärte er dazu.
    Güterling nickte. »Thilo hat mir davon erzählt. Bitte, wollen Sie nicht Platz nehmen? Ihr beiden auch. Thilo, bist du mal so gut und holst die Stühle dort drüben herbei?«
    Als sie alle saßen, Kelwitt auf dem einzigen Stuhl mit ungepolstertem Sitz, seine blumige Wachstischdecke untergelegt, wollte die feierliche Stimmung immer noch nicht weichen.
    »Es gibt also Leben da draußen«, stellte Güterling sinnend fest und lächelte Kelwitt an.
    »Da draußen?«, wiederholte der.
    »Im Weltall. Auf anderen Planeten.«
    Kelwitt sah zwischen ihnen umher. »Ja«, meinte er dann. »Planeten sind die Voraussetzung für die Entstehung von Leben.«
    »Und es gibt viele belebte Planeten?«
    »Ich denke schon.«
    Güterling wiegte wohlwollend das Haupt. So lebendig, wach und klar hatte Thilo ihn noch nie erlebt. »Ihr beherrscht also die interstellare Raumfahrt. Ihr könnt schneller fliegen als das Licht. Es ist also möglich.«
    »Ja«, erwiderte Kelwitt. »Wieso sollte es nicht möglich sein?«
    Güterling lächelte. »Sie müssen wissen, dass ich früher – in der Zeit meines Lebens, von der ich heute weiß, dass sie die beste war – beteiligt war an der Entwicklung von Raketen. Unsere Raketen wurden zwar für den Krieg verwendet, aber gedacht – gedacht hatten wir sie für den Weltraum. Der Flug in den Weltraum: Das war unser großes Ziel. Später wurde es dann Wirklichkeit. Menschen flogen in den Weltraum, sogar bis zum Mond. Und wir schickten Roboter zu den anderen Planeten unseres

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