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Kelwitts Stern

Kelwitts Stern

Titel: Kelwitts Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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interessant das alles war, allmählich überforderte es ihn. Zum Geist des Verderbens mit der Orakelfahrt, mit Mu’ati, mit Denopret, mit Isuukoa und wie sie alle hießen. Es wurde wirklich Zeit, und er würde sich nie mehr über das Leben in der Donnerbucht beschweren, das gelobte er bei den Worten Jamuunis. Mit der Entspannung im flachen Wasser schwanden die Schmerzen, und Kelwitt fiel in einen leichten Dämmerzustand, mehr aus Langeweile als aus sonst einem Grund.
    An der Schwelle zum Schlaf riss ihn die Rückkehr S’briinas wieder wach. Sie schlüpfte eilig herein und gab sich Mühe, die Tür hinter sich möglichst leise zu schließen, schaltete dann nicht das große Deckenlicht an, sondern ein kleines Leuchtelement, das auf einem Tisch stand und den Raum in ein für Menschenaugen, wie er inzwischen wusste, unzureichendes Licht hüllte. Dann hockte sie sich neben seiner Schlafmulde auf den Boden und sah ihn an.
    »Ich habe dir doch heute Morgen das Buch gegeben«, sagte sie.
    »Ja«, bestätigte Kelwitt.
    »Wie hat es dir gefallen?«
    Kelwitt überlegte. Unter diesem Gesichtspunkt hatte er es nicht gelesen. »Es war sehr informativ«, meinte er schließlich.
    S’briina machte die bejahende Geste, etwas heftiger als üblich. »Und«, fragte sie weiter, »hast du dich dabei nicht gefragt, wie eine Menschenfrau nackt aussieht?«
    Das, fand Kelwitt, war eine merkwürdige Frage. Sie war ihm nicht in den Sinn gekommen, als er das Buch studiert hatte, und es leuchtete ihm auch nicht ein, warum sie ihm hätte in den Sinn kommen sollen. »Nein. Es waren ausreichend viele diesbezügliche Abbildungen in dem Buch enthalten.«
    »Aber die Wirklichkeit«, meinte sie und bewegte heftig die Hände, »die Wirklichkeit ist doch etwas ganz anderes als Abbildungen!«
    Kelwitt machte die Geste der Bestätigung. »Das ist zweifellos richtig.«
    »Und hier bin ich, eine richtige, wirkliche Menschenfrau! Möchtest du nicht wissen, wie ich nackt aussehe?«
    Er musterte sie. Irgendwie kam sie ihm anders vor als sonst. »Darüber habe ich noch nicht nachgedacht.«
    »Und wenn du jetzt darüber nachdenkst?«
    Diese Erdbewohner waren wirklich merkwürdige Wesen. Immer wenn er gerade glaubte, sie ein wenig verstanden zu haben, benahmen sie sich wieder auf eine Weise, die ihm Rätsel über Rätsel aufgab. »Eure Sitte, euch ständig zu bekleiden, verstehe ich nicht«, erklärte Kelwitt. »Wenn man in der Umgebung lebt, in der sich die eigene Spezies entwickelt hat, sollte es nicht notwendig sein. Ich frage mich, ob es euch einfach zur Gewohnheit geworden ist, und wenn ja, warum. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass Kleidung für euch nicht nur Schutz ist, sondern auch Schmuck, und dass …«
    »Ja, ja, ja«, unterbrach sie ihn ungeduldig. »Was ist? Soll ich mich ausziehen oder nicht?«
    Kelwitt hielt inne, überdachte das, was er gerade gesagt hatte, und machte dann die Geste der Bekräftigung. »Ja, natürlich!«
    »Ich dachte schon …«?, murmelte S’briina rätselvoll, stand auf und begann, ihre Bekleidung abzulegen.
    Sie machte es ziemlich langsam, beinahe so, als könne sie sich nur schwer davon trennen. Zuerst legte sie das weite Kleidungsstück ab, das den oberen Teil ihres Körpers bedeckte – zog die oberen Extremitäten ein, schob es behutsam über den Kopf, hob es hoch, um es dann achtlos zu Boden fallen zu lassen. Darunter trug sie noch einmal ein ähnliches Kleidungsstück aus einem dünneren Stoff. Wirklich eine hartnäckige Gewohnheit. Und aus irgendeinem Grund begann sie, sich langsam hin und her zu wiegen, während sie mit dem Entkleiden fortfuhr.
    Nachdem sie auch das zweite Oberteil abgestreift hatte, war sie oben herum unbekleidet bis auf ein weiteres Kleidungsstück, das zwei Wölbungen an der Vorderseite ihres Körpers umschloss. Von diesem Kleidungsstück trennte sie sich besonders umständlich. Zuerst drehte sie ihm den Rücken zu, sodass er die dünnen Träger sehen konnte und wie sie einen Verschluss daran öffnete. Dann drehte sie sich wieder herum, streifte die Träger über die Schultern, den größten Teil des Kleidungsstückes noch vor den Wölbungen festhaltend, um es dann schließlich doch abzulegen und beiseitezulegen. Die ganze Prozedur schien sie nicht wenig anzustrengen, denn sie atmete deutlich tiefer und heftiger. Und der Blick, mit dem sie ihn ansah, war eigenartig.
    Es folgte die Entkleidung der unteren Körperhälfte. Zuerst zwei kurze, dünne Teile, die die unteren Extremitäten bedeckt hatten.

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