Kelwitts Stern
erschüttert. »Wie soll ich dem Chef jetzt vierzigtausend Mark rauseiern?«
»Von dem kriegst du keinen Pfennig«, prophezeite Kaulquappe und las zum hundertsten Mal die Kopie des Kostenvoranschlags durch, die der Brunnenwirt ihnen mitgegeben hatte. »Der will dich nicht mal sehen. Aber sag mal – müsste das nicht überhaupt irgendeine Versicherung zahlen?«
Hase hob gequält den Kopf. »Eine Versicherung? Was für eine Versicherung? Gegen außerirdische Raumschiffe?«
»Wir könnten ihm den Rest seiner Hütte abfackeln. Dann muss die Feuerversicherung zahlen.«
»Klar. Versicherungen zahlen ja einfach. Die stellen keine unbequemen Fragen vorher.« Kaulquappe studierte die einzelnen Posten auf dem Blatt, das den Briefkopf des einzigen
Zimmermanns von Blaukirch trug. »Meinst du, die haben sich abgesprochen, um uns
auszunehmen?«
»Nein, ich hab mich erkundigt. Ein völlig üblicher Preis für ein neues Scheunendach.«
»Du hättest mir ruhig vorher sagen können, dass du ein außerirdisches Raumschiff suchst.«
»Ja, schon gut. Ich hätt’s dir rechtzeitig gesagt, okay?«
»Und dass jemand an Bord war, hast du mir auch verschwiegen.«
Hase seufzte. »In unserem Beruf neigt man nun mal stark zur Geheimniskrämerei.«
Einer derjenigen, die auf die Nachricht von George Bell aufmerksam wurden, war Rainer Weck, Bibliothekar an der Universität Hamburg und nebenbei Leiter eines eingetragenen Vereins zur Aufklärung von UFO-Sichtungen, der seinen Sitz in Hamburg, aber Mitglieder in aller Welt hatte. Rainer Weck schickte eine ziemlich skeptisch formulierte E-Mail mit der Bitte um genauere Angaben direkt an George Bell, die diesen noch erreichte, gerade als er sich eigentlich ausloggen und zu Bett gehen wollte. Der skeptische Ton ärgerte George, und er schrieb eine ausführliche Antwort, in der er schilderte, wie er von dem Vorfall Kenntnis erlangt hatte. Er verschwieg dabei, dass sich das belauschte Gespräch auf dem Klo abgespielt hatte und dass sich die Gesprächspartner eher darüber amüsiert als es ernst genommen hatten, aber er nannte den Namen seines Chefs, Joe Duggan.
Rainer Weck wollte das Ganze immer noch nicht in den Kopf. Ein Außerirdischer in Stuttgart, in der biederen schwäbischen Hauptstadt, die eher durch Brezeln und bizarre Sauberkeitsrituale bekannt war? Das musste doch leicht als vorsätzliche Täuschung aufzuklären sein. Er beschloss, den Fall an das einzige Vereinsmitglied in Stuttgart weiterzuleiten, den Kunststudenten Thomas Thieme.
Der hielt den ganzen Vorfall für reichlich abstrus und kaum für wert, Mühe darin zu investieren. Schließlich ging er lustlos daran, die Stuttgarter Grundschulen abzutelefonieren. Davon gab es nicht wenige. Überall sagte ihm die Sekretärin als Erstes, dass die Weihnachtsferien schon begonnen hätten und alle Lehrer schon weg seien. Als Zweites, dass sie ihm keine personenbezogenen Auskünfte erteilen dürften. Thieme versuchte mit allerlei wilden Geschichten, in denen alte Klassenfotos, schwierige Erbschaften, heimliche Liebschaften, Reue nach langen Jahren oder Lottogewinne eine Rolle spielten, diese Hürde zu überwinden, scheiterte jedoch überall. Schließlich gab er es auf.
»Du siehst etwas mitgenommen aus«, erklärte Nora Mattek ihrem reichlich verkatert dreinblickenden Ehegatten an diesem Morgen.
»Mitgenommen?«, ächzte der. »Ja, das liegt an dem Schuppen, in den Lothar mich mitgenommen hat. Eine Weinstube, pah! Eine total verräucherte Kneipe mit viel zu vielen alleinstehenden Frauen und viel zu hohen Preisen. Oh, mein Kopf- ich darf mich nicht so aufregen. Wie spät ist es?«
»Zehn Uhr. Ich habe dich schlafen lassen.«
»Das war wirklich rücksichtsvoll von dir. Nachdem ich mich schon geopfert habe.«
»Hier hättet ihr wirklich nicht bleiben können. Kelwitt ist kurz nach neun aufgewacht und durchs Haus getigert.«
Wolfgang Mattek nickte und bereute diese Bewegung gleich darauf wieder. »Ich hätte ihn rechtzeitig anrufen können, um die Verabredung zu verschieben. Aber ich hab’s immer vor mir hergeschoben. Und dann vergessen, vor lauter Chem-Tech.«
»Meinst du, er hat jetzt irgendeinen Verdacht? Dass wir etwas verbergen?«
Mattek ließ sich tiefer ins Kissen sinken und überdachte den überstandenen Abend. Sie hatten hauptsächlich über Geld geredet, über die neuen Steuer- und Rentenpläne der Bundesregierung, die Entwicklung des europäischen Wirtschaftsraums und ähnliche Dinge. Und über allerhand Themen, die nur
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