Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom
eine 29er Smith & Wesson benutzt zu haben scheint. Kaliber .44 Magnum, versteht sich.« Peters nahm einen weiteren Zug, hatte jedoch auf einmal genug und drückte seine Fluppe kurzerhand aus. »Bevor du mich wieder fragst, ob ich meiner Sache sicher bin: ja, bin ich. Einschlag des Geschosses knapp zwei Zentimeter oberhalb der Nasenwurzel. Abgefeuert aus geringer Entfernung, nach meinem Dafürhalten um die drei Meter. Sieht ganz danach aus, als sei Mister Schwergewicht … äh … Mister Unbekannt buchstäblich exekutiert worden.«
»Sonst noch was von Bedeutung?«
Peters errötete. »Knapp 120 Kilo Lebendgewicht, männlich, um die 30, vermutlich Amerikaner.«
»Sicher?«
»Jetzt ist es aber wirklich ge…«
»Halt, mein Freund – wer wird denn gleich in die Luft gehen!«, lachte Sydow und blinzelte Peters, den er für sein Leben gern auf die Schippe nahm, mit unverhohlener Schadenfreude an. »Greife lieber zur HB, dann …«
»Geht alles wie von selbst«, brummelte der Gerichtsmediziner, nach außen grantig, in Wahrheit aber längst an Sydows Frotzeleien gewöhnt. »Willst du nun Bescheid über Mister Vollschlank wissen oder nicht?«
»Natürlich, Heribert – ich bin ganz Ohr.«
Peters verpasste Sydow einen erneuten Rippenstoß, riss ihm die HB-Schachtel aus dem Hemd und verkündete mit stolz geschwellter Brust: »Bei dem rot karierten Flanellhemd, das er trug, handelt es sich zweifelsohne um ein aus den USA stammendes Exemplar der Marke ›Dr. Denim‹. Auf dem deutschen Markt nicht zu haben, es sei denn, man ist Angehöriger der hiesigen amerikanischen Garnison und hat die Möglichkeit, sich in den PX-Läden einzudecken.«
»Oder man wird beschenkt.«
»Oder hat Beziehungen, kann natürlich sein.« Nachdenklich geworden, knetete Peters sein monströses Doppelkinn, wog die Zigarettenschachtel in der Hand und gab sie Sydow zurück. »Einigermaßen mysteriös, in der Tat«, räumte er nachdenklich ein.
»Wieso?«
»Weil der Unbekannte offenbar im Besitz einer Makarow mit integriertem Schalldämpfer gewesen zu sein scheint. Lag direkt neben ihm, unter einem Sitz. Das Bemerkenswerte daran: Das Magazin, ausreichend für insgesamt acht Schuss, war vollkommen leer. Da bist du platt, Herr Kriminalhauptkommissar, was?«
»So ziemlich.« Sydow verschränkte die Hände, stützte das Kinn auf den linken Zeigefinger und starrte so lange vor sich hin, bis es Peters zu bunt wurde und er sich mit lautem Ächzen erhob. »Weißt du, was ich glaube, Wonneproppen?«
»Nee, Mister Universum.«
»Dass wir auf dem besten Wege sind, uns jede Menge Ärger einzuhandeln.«
Peters winkte gelangweilt ab. »Sind wir doch immer, oder? Ich muss nur an die Geschichte mit dem Bernsteinzimmer denken, und mir wird jetzt noch ganz anders.«
»Stimmt.« Gemeinsam hatten er, Sydow, und sein Busenfreund Heribert Peters schon eine Menge durchgemacht. Besonders dramatisch war es bei der Jagd nach dem Bernsteinzimmer zugegangen, wobei es ihm immer noch nicht in den Kopf wollte, weshalb Kuragin, mit dem er sich damals angefreundet hatte, von einem Moment auf den anderen verschwunden war. Einfach so, fast auf den Tag genau vor acht Jahren. Ohne ihn und seine Hilfe hätte er die Lösung des Falles abschreiben können, davon war er mehr denn je überzeugt. Umso merkwürdiger, dass sich der ehemalige MGB-Offizier zuerst in den Westen abgesetzt und nur wenige Wochen später für immer von der Bildfläche verschwunden war. »Aber wie heißt es doch so schön: Unkraut vergeht nicht.«
»Was dich angeht, trifft diese profunde Erkenntnis sicherlich zu.« Peters, der sich die Gelegenheit zu einer Retourkutsche nicht entgehen ließ, hob einen Kieselstein auf, schleuderte ihn in hohem Bogen ins Gebüsch und griff das Thema, um das es ging, wieder auf. »Du meinst also, wir stehen im Begriff, ins Fettnäpfchen zu treten.«
Sydow nickte.
»Soll heißen, du tippst darauf, dass der KGB und die CIA oder welcher Schnüfflerverein auch immer auf höchst ungalante Art aneinandergeraten sind.«
»Genau so könnte man es ausdrücken, Dicker.«
»Begründung?«
»Eine Makarow hier, eine Smith & Wesson da –«, grübelte Sydow und spielte geistesabwesend an seinem Ehering herum, »ziemlich eindeutig, oder?«
»Findest du?«
»Wieso denn nicht?«
Der Gerichtsmediziner wog bedächtig das Haupt. »Kann sein, dass du recht hast«, räumte er unschlüssig ein, von dem, worauf Sydow hinauswollte, alles andere als überzeugt. »Kann aber auch nicht sein, wer
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