Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom
gehen.«
»Eben.«
»Darauf hat dieser Schnösel nämlich nur gewartet«, bekräftigte Naujocks, stibitzte Sydows Glas und trank es rasch leer. »Zumal er dich seit geraumer Zeit auf dem Kieker zu haben scheint.«
»Kieker oder nicht – fest steht doch wohl, dass der Herr Kriminalrat beabsichtigt, uns aufs Abstellgleis zu schieben.«
»Was zeigt, dass wir dabei sind, ein verdammt heißes Eisen anzufassen«, schloss Krokowski, dem die Tatsache, dass er sich in einem der verrufensten Kneipen von ganz Kreuzberg aufhielt, ganz offensichtlich auf den Magen geschlagen hatte. Seine Sinalco hatte er bislang nicht angerührt, auch so wirkte er aber nicht gerade entspannt. Von sich aus hätte er sich wohl niemals hierher verirrt, und selbst wenn, hätte ihn die Schummerbeleuchtung, der Zigarettenrauch, die Musik aus der Jukebox und die leicht bekleideten Damen, von denen es mindestens ein Dutzend gab, auf der Stelle in die Flucht geschlagen. »Aber was soll’s, das sind wir ja mittlerweile gewohnt.«
»Jetzt mach aber mal ’nen Punkt, Kroko«, spöttelte Sydow und verpasste Naujocks, der eine vollbusige Animierdame mit seinen Blicken geradezu verschlang, einen dezenten Schubs mit dem Ellbogen. Nach vollbrachter Tat, die jedoch keinerlei Wirkung zeigte, wandte er sich erneut seinem Assistenten zu. »Ausgerechnet du, unser Musterknabe, spielst mit dem Gedanken, dich dem Befehl unseres allseits geschätzten Herrn Kriminalrates zu widersetzen?«
»In der Tat!«, gab Krokowski, der wie ein begossener Pudel auf seinem Barhocker kauerte, mit trotziger Miene zurück. »Ihr zwei doch wohl auch, oder?«
»Worauf du einen lassen kannst, Eduard«, kam Naujocks, trotz intensiver Balzversuche wenigstens mit einem Ohr bei der Sache, einer ähnlich gearteten Antwort vonseiten seines Nebenmannes zuvor und hatte von da nur noch Augen für die Animierdame, die sich mit wiegenden Hüften auf ihn zubewegte. »Einer für alle, alle für … Hallo, schöne Frau – hocherfreut, Sie kennenzulernen.«
»Der geht vielleicht ran«, flüsterte Sydow einem sichtlich konsternierten Eduard Krokowski ins Ohr, dessen Moralvorstellungen soeben einen herben Dämpfer erlitten hatten. »Da bleibt dir glatt die Spucke weg!«
»An deiner Stelle würde ich mir lieber überlegen, wie wir …«
»Eins vorweg, Kroko – ich habe nicht die geringste Ahnung, wie es jetzt weitergehen soll«, beschied Sydow seinen Assistenten, bezahlte und drehte seinen Barhocker nach rechts, damit er Krokowski, der es ihm gleichtat, direkt in die Augen sehen konnte. »Falls es das ist, worüber du dir momentan den Kopf zerbrichst.«
»Du hast es erfasst, Tom«, bestätigte Krokowski, dessen Fliege in bedenkliche Schieflage geraten war. »Man macht sich eben so seine Gedanken.« Krokowski stutzte. »Sag mal, du hast doch nicht etwa vor, nach Hause zu gehen? Nach allem, was heute Nachmittag los gewesen ist?«
»Doch, Kroko«, beharrte Sydow, der es auf einmal eilig hatte, sein ehemaliges Stammlokal zu verlassen. Bei Lola, nur eines von einem guten Dutzend Etablissements seiner bevorzugten Informantin, hatte er sich früher immer wohlgefühlt. Trotz oder gerade wegen der ehrenwerten Gesellschaft, die sich hier allabendlich ein Stelldichein gab. Jetzt aber, am Ende eines langen und scheinbar nutzlos vertanen Tages, zog es ihn wieder nach Hause. Zu Lea, die bestimmt schon auf glühenden Kohlen saß. »Genau das werde ich jetzt tun. Heute ist nämlich mein Hochzeitstag, für den Fall, dass du es vergessen haben solltest.« Sydow schielte auf die Uhr, sprang von seinem Barhocker und schlüpfte in sein völlig zerknittertes Jackett. »Morgen ist auch noch ein Tag. Oder kannst du mir flüstern, was wir in der gegenwärtigen Situation tun sollten?«
»Dranbleiben, Tom. Was denn sonst?«
»Weißt du was, Kroko?«, fragte Sydow zurück, nachdem er sich von der mittlerweile 68 Jahre alten Inhaberin, die mit bürgerlichem Namen Erna Pommerenke hieß, per Kusshand verabschiedet hatte. Die Rote Lola, unumschränkte Herrin über das Kreuzberger Milieu und trotz mehr als 100 Kilo Lebendgewicht mit Federboa, hautengem Atlaskleid und Netzstrümpfen bekleidet, dankte es ihm mit einem huldvollen Lächeln. »Langsam hab ich es satt, mich ständig mit den gleichen Ganoven rumschlagen zu müssen.«
»Das glaubst du doch wohl selbst nicht, oder?«
Sydow zögerte einen Moment, besann sich und entgegnete: »CIA oder nicht – momentan hab ich wirklich die Schnauze voll. Da kurvst du durch halb
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