Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom
abzuschleppen, in ihr Hotel zu locken und den ahnungslosen Don Juan in spe seinen Mördern auszuliefern. Die, aus welchem Grund auch immer, alles darangesetzt hatten, die Tat als Werk östlicher Geheimdienste erscheinen zu lassen. Gelungen war ihnen dies jedoch nicht, zumal Paschulke versichert hatte, der Vamp mit Namen Natalja habe es darauf angelegt, Deutsch mit russischem Akzent zu sprechen. Auf Sydows Frage, um was für eine Landsmännin es sich seiner Meinung nach gehandelt habe, hatte der Taxifahrer allerdings passen müssen. Wie von ihr gewünscht, hatte er das ungleiche Paar in eine in der Nähe des Anhalter Bahnhofs gelegene Nobelherberge chauffiert, ein fürstliches Trinkgeld kassiert und anschließend zugesehen, dass er so rasch wie möglich in die Federn kam.
Ein abgekartetes Spiel also – aber mit welchem Ziel?
Entschlossen, die Suche nach dem möglichen Tatmotiv auf den nächsten Tag zu verschieben, setzte Sydow seinen Nachhauseweg fort. Die Straße vor ihm wirkte wie ausgestorben, wäre das Licht nicht gewesen, welches hie und da zwischen den Fensterläden hindurchsickerte, hätte er geglaubt, er spaziere durch eine Geisterstadt. Zudem war er merklich kühler geworden, und obwohl er nicht so leicht fror und nur noch wenige Meter zu gehen hatte, schlug Sydow die Arme übereinander und hastete weiter. Der Ostwind, der einen Birkenzweig über die öde und leer daliegende Uferstraße fegte, roch bereits nach Herbst, überlagert vom Duft welker Blätter, der aus dem Gestrüpp, an dem er vorüberhastete, in die Höhe stieg und sich zu einer nach abgestorbenen Blüten und feuchter Erde riechenden Mixtur vereinigte. Die Stille tat ein Übriges, weshalb ihn das Gefühl beschlich, viel zu früh ausgestiegen und noch kilometerweit von zu Hause entfernt zu sein.
»Hauptkommissar Sydow, wenn ich mich nicht irre?«
In seine Gedanken vertieft, hatte Sydow den Fremden, dessen Stimme aus dem Halbdunkel längs des Weges drang, nicht bemerkt und drehte sich auf dem Absatz um. Seiner Stimme nach zu urteilen war er noch recht jung, von der Körpergröße her mindestens einen Kopf kleiner und gut gebaut. Dass die nächtliche Begegnung kein Zufall war, konnte er sich natürlich denken, weshalb er es bei der Andeutung eines Nickens beließ und die Gestalt, welche ihn unvermutet angesprochen hatte, näher in Augenschein nahm. »Und was verschafft mir die Ehre?«
»Ich denke, wir sollten uns ein wenig unterhalten«, entgegnete der Fremde, aufreizend lässig gegen eine Eiche gelehnt und obendrein auch noch eine Fluppe in der Hand. »Das heißt, falls Sie momentan nichts Besseres zu tun haben.«
»Kommt drauf an.« Sydow hasste es, wenn er den Leuten, mit denen er sprach, nicht in die Augen sehen konnte, und so machte er ein, zwei Schritte nach vorn. Fast gleichzeitig gab der Unbekannte, dessen angewinkeltes Bein auf dem Baumstamm ruhte, seine entspannte Haltung auf, trat aus dem Schatten und schlenderte gemächlich auf ihn zu. Im Schein der Straßenlaterne, die ihr fahles Licht auf den Bürgersteig warf, sah sein Lächeln gezwungen und aufgesetzt aus, worauf Sydow mit instinktivem Argwohn reagierte. »Mit wem habe ich das Vergnügen?«
»Das tut nichts zur Sache.«
»CIA?«
»Falsch geraten, Herr Kriminalhauptkommissar«, höhnte der tipptopp gekleidete, um die 40 Jahre alte und nicht eben unattraktive Fremde, immer noch das gleiche Lächeln im Gesicht, auf das er anscheinend ein Dauerabonnement besaß. »Wenngleich nicht allzu weit von der Wahrheit entfernt.«
»Dann eben Stasi, hab ich recht?«
»Nicht schlecht, Herr Kommissar, mein Kompliment. Freut mich, dass wir so schnell zur Sache kommen können.« Mischa Bartosz, Oberleutnant in Diensten der DDR-Staatssicherheit, stieß ein galliges Lachen aus. »Aus diesem Grund werde ich es jetzt kurz machen.« Bartosz ließ seine Kippe fallen und beförderte sie mit dem Fuß in den Rinnstein. »Wie ich wohl nicht weiter ausführen muss, sind Sie, Herr Kriminalhauptkommissar, beileibe kein Unbekannter für uns. Spätestens seit dem Tag, an dem eines unserer Kommandos mit Ihnen und Ihrem – wie drücke ich mich jetzt bloß akkurat aus? –, mit Ihrem ehemaligen Weggefährten Kuragin Bekanntschaft gemacht hat.«
»Falls es um das Bernsteinzimmer geht: Vergessen Sie’s.«
Das Dauerlächeln auf dem Gesicht von Bartosz verschwand. »Nach Preziosen jedweder Art, Herr von Sydow, steht mir momentan nicht der Sinn.«
»Mir auch nicht.«
»Freut mich zu hören. Was mich dagegen
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