Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom

Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom

Titel: Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
Vom Netzwerk:
im Töten, die anderen im Bedienen russischer Raketenwerfer. Ihre Ausbilder daheim in Langley hatten an alles gedacht, sogar daran, dass es von Vorteil war, wenn einer von ihnen Russisch sprach.
    Dass es sich bei der Operation mit dem Codenamen Uranus um ein Himmelfahrtskommando handelte, war ihnen dennoch bewusst. Bis zum Point Zero, dem Zeitpunkt, an dem die Raketen auf die jeweiligen Ziele in den westlichen Sektoren abgefeuert werden sollten, konnte noch eine Menge passieren. Wäre es nach ihrem Anführer gegangen, hätte er die Raketen startklar gemacht, aus allen Rohren gefeuert und anschließend die gesamte Werferbatterie in die Luft gejagt. Lieutenant Major Skip McClellan, ein drahtiger, robuster und überaus zäher Veteran aus dem Koreakrieg, hatte jedoch den Kürzeren gezogen. Aus Gründen, die ihm selbst zwar nicht ganz klar waren, nach denen er aber dennoch nicht zu fragen gewagt hatte. Raketenabschuss um 3.45 Uhr Berliner Zeit, eine Viertelstunde vor dem nächsten Wachwechsel. Und keine Sekunde früher. Daran musste er sich halten, ob aus Überzeugung oder nicht. Befehl war nun einmal Befehl.
    Und Calabrese der Boss.
    Zu tun gab es mehr als genug, sowohl für McClellan wie auch die übrigen Angehörigen des Trupps. »Zielkoordinaten ändern!«, wies er den ebenfalls maskierten, jedoch bei Weitem nicht so durchtrainierten und mindestens einen Kopf kleineren Agenten neben ihm an. Der wiederum gehorchte prompt, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, entschlüsselte den Zugangscode, als sei dies alles nur ein Kinderspiel, und klapperte mit den spindeldürren Fingern auf den mit kyrillischen Buchstaben versehenen Tasten herum. Purgatschow, so sein richtiger Name, kannte sich bestens aus, nicht nur, weil er das Kind russischer Emigranten, sondern auch ein ausgewiesener Dechiffrierexperte war.
    Kurz vor dem Ende der komplizierten Prozedur, mit Blick auf den Zettel, den ihm McClellan vor die Nase hielt, geriet der untersetzte Westpoint-Absolvent mit dem dunklen Dreitagebart und auffällig großen Riechorgan ins Stocken. »Warten Sie mal, Sir!«, forderte er seinen Nebenmann auf, »Warten Sie – da stimmt etwas nicht.«
    McClellan gab sich ahnungslos. »Und was sollte Ihrer Meinung daran nicht …«
    »Die Zielkoordinaten, Sir«, lautete die hektische Antwort, nachdem sich Purgatschow überzeugt hatte, dass ihm kein Fehler unterlaufen war. »Wenn die nicht falsch sind, will ich Nikita Chruschtschow heißen.«
    »Ach, ja?«
    »Ich sag mal so, Sir – hätten wir die Vögel alle abgefeuert, würde an bestimmten Stellen im amerikanischen Sektor vermutlich kein Stein mehr auf dem anderen stehen.« Purgatschow nahm die Hand von der Konsole und atmete geräuschvoll aus. »Möchte wissen, was für ein Idiot uns das eingebrockt hat«, wetterte er mit Blick auf die Liste, die soeben in McClellans Gesäßtasche verschwand, drauflos. »So dumm kann man ja wohl wirklich nicht sein. Die falschen Ziele anzugeben – man sollte es nicht für möglich halten. Wenn mir der Kerl unter die Augen kommt, kann er was er …«
    Trotz all seiner Cleverness war Igor Michailowitsch Purgatschow ein Zeitgenosse mit einem ausgesprochen hitzigen Naturell. Wenn ihm etwas gegen den Strich ging, gab es für ihn kein Halten mehr. Und auch keinen Vorgesetzten, auf den er Rücksicht nehmen musste. Dann gab es nur noch ihn, Purgatschow, und seinen Jähzorn, der ihn alles ringsum vergessen ließ.
    So wie jetzt, 20 Minuten nach acht.
    »… leben.« Kaum hatte Purgatschow Luft geholt, um der zu erwartenden Serie von Flüchen den entsprechenden Nachdruck zu verleihen, spürte er plötzlich die Mündung eines Schalldämpfers an seiner Schläfe. Und hörte die Worte »Was denn?« und das unterdrückte Lachen aus dem Mund von McClellan, der sich über die Begriffsstutzigkeit seines Dechiffrierexperten lustig machte.
    Obwohl es nicht das Geringste zu lachen gab.
     
     
     
     
     
     
     
     
     

20
    Berlin-Kreuzberg, Yorckstraße | 20.35 h
     
    »Suspendiert!«, wetterte Sydow, trank seinen Doppelten Marke Beefeater auf ex und bestellte sich umgehend das nächste Glas. Der Barkeeper, ein treuer Gefährte aus Junggesellentagen, ließ sich nicht lange bitten und stellte die Flasche mit dazu. »Wenn Oelßner glaubt, er kriegt mich auf die Art klein, hat er sich geschnitten.«
    »Selbst schuld.«
    »Ja, ja – ich weiß, Kroko«, grummelte Sydow und schob das Gin-Glas mit griesgrämiger Miene auf die Seite. »Dumm von mir, gleich auf die Barrikaden zu

Weitere Kostenlose Bücher