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Kennedys Hirn

Kennedys Hirn

Titel: Kennedys Hirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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kannst, solltest du keinen Führerschein haben.«
    Sie hatte es nie gelernt, haßte es, Öl an die Hände zu bekommen. Aber vor allem hatte sie sich geweigert, Arons arroganter Aufforderung nachzukommen.
    Sie schlug die Motorhaube wieder zu. Der Knall war gewaltig und rollte hinaus ins Dunkel.
    Wie hatte Shakespeare geschrieben? »Mit doppeltem Donner dein Geschütz du lädst.« So hatte Aron sich selbst beschrieben. Er war der Mann mit dem doppelten Donner, gegen seine Kräfte kam keiner an. Was würde er sagen, wenn er sie jetzt sähe, in einem Auto, das tief im afrikanischen Dunkel den Geist aufgegeben hatte? Würde er eine seiner herablassenden Vorlesungen darüber halten, wie unfähig sie war? Das pflegte er zu tun, wenn er schlechter Laune war, was zu langanhaltenden Auseinandersetzungen führte, in denen sie ihre Kräfte maßen, und die nicht selten damit endeten, daß sie sich mit Tassen und Gläsern bewarfen.
    Dennoch liebe ich ihn, dachte sie, als sie sich neben den Wagen hockte und pinkelte. Ich habe versucht, ihn durch andere zu ersetzen, aber es ist nie gelungen. Wie Portia habe ich auf meine Freier gewartet. Sie haben getanzt und sind gehopst und haben ihre Künste vollführt, aber wenn der letzte Akt anfing, sind sie alle abgewiesen worden. Ist dies hier vielleicht mein letzter Akt? Ich dachte, es würde noch mindestens zwanzig Jahre weitergehen. Als Henrik starb, bin ich im Verlauf von wenigen Sekunden durch das ganze Stück gerast, und jetzt steht nur noch der Epilog aus.
    Sie hielt weiterhin Ausschau im Rückspiegel. Kein Scheinwerferlicht strich über den Nachthimmel. Sie holte ihr Handy hervor und tippte Arons Nummer ein. »Der gewünschte Gesprächspartner ist zur Zeit nicht erreichbar.«
    Dann wählte sie die Nummer von Henriks Wohnung. Du weißt, was du tun mußt. You know what to do. Sie fing an zu weinen und machte daraus eine Nachricht auf seinem Anrufbeantworter. Dann rief sie Artur an. Die Verbindung war klar, ohne Verzögerung. Seine Stimme war dicht bei ihr.
    »Wo bist du? Warum rufst du mitten in der Nacht an. Weinst du?«
    »Ich habe eine Motorpanne auf einer einsamen Landstraße.«
    »Bist du allein?«
    »Ja.«
    »Dann bist du nicht ganz gescheit! Fährst allein mitten in der Nacht in Afrika mit dem Auto? Da kann doch alles mögliche passieren.«
    »Es ist alles mögliche passiert. Der Wagen ist stehengeblieben. Ich habe genug Benzin, die Temperatur ist nicht zu hoch, keine Warnlampe leuchtet auf. Es ist wohl nicht viel schlimmer, hier eine Panne zu haben als oben auf dem Härjedalsfjäll.«
    »Kann niemand kommen und dir helfen? Ist es ein Leihwagen? Dann muß die Firma einen Notruf haben.«
    »Ich will, daß du mir hilfst. Du hast mir beigebracht zu kochen, du kannst einen kaputten Plattenspieler reparieren, und du kannst sogar Vogel ausstopfen.«
    »Ich mache mir Sorgen um dich. Wovor hast du Angst?«
    »Ich habe keine Angst. Ich weine nicht.«
    Er brüllte. Das Geräusch traf sie wie ein harter Schlag. »Lüg mir nicht glatt ins Gesicht. Nicht einmal du kannst dich hinter einem Telefon verstecken.«
    »Schrei mich nicht an. Hilf mir lieber.« »Geht der Anlasser?«
    Sie legte das Handy in den Schoß, drehte den Zündschlüssel um und ließ den Anlasser arbeiten.
    »Er hört sich an, wie er sich anhören soll«, sagte Artur.
    »Warum springt der Wagen nicht an?«
    »Ist weiß es nicht. Ist die Straße holperig?«
    »Sie ist wie eine Schotterpiste bei Tauwetter.«
    »Vielleicht hat sich ein Kabel losgeruckelt.«
    Sie schaltete die Scheinwerfer wieder ein, Öffnete zum zweiten Mal die Motorhaube und folgte seinen Anweisungen. Als sie von neuem zu starten versuchte, war das Ergebnis jedoch unverändert.
    Die Verbindung wurde unterbrochen. Sie rief ins Dunkel hinaus, aber Arturs Stimme war weg. Sie wählte noch einmal. Eine Frauenstimme sagte etwas auf portugiesisch in bedauerndem Tonfall. Sie drückte die Austaste und hoffte, daß es Artur gelänge, die Verbindung wiederherzustellen.
    Nichts geschah. Die Dunkelheit erfüllte den Wagen. Sie wählte die Telefonnummer, die auf dem Mietvertrag stand. Niemand meldete sich, es gab weder einen Anrufbeantworter noch einen Hinweis. Im Rückspiegel wurde das Licht eines Scheinwerfers in der Ferne sichtbar. Die Angst stach wieder zu. Sollte sie den Wagen verlassen und sich in der Dunkelheit verstecken? Sie war unfähig, sich zu rühren. Hinter ihr wuchs das Scheinwerferlicht herauf. Sie war davon überzeugt, daß der Wagen sie niederwalzen

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