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Kennedys Hirn

Kennedys Hirn

Titel: Kennedys Hirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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würde. Im letzten Augenblick wich er aus. Ein schwankender Lastwagen donnerte vorbei.
    Es war, als wäre ein Pferd ohne Reiter an ihr vorbeigerast.
    Es wurde eine der längsten Nächte ihres Lebens. Durch das halb geöffnete Fenster horchte sie ins Dunkel hinaus und spähte nach Licht. Mehrere Male versuchte sie, die Verbindung zu Artur wiederherzustellen, aber ohne Erfolg.
    Kurz vor der Morgendämmerung drehte sie noch einmal den Zündschlüssel um. Der Motor sprang an. Sie hielt den Atem an. Der Motor lief.
    Es war schon heller Morgen, als sie Maputo erreichte. Überall schreitende Frauen mit geraden Rücken, die mit riesigen Lasten auf dem Kopf und Kindern auf dem Rücken direkt aus der Sonne und dem roten Staub kamen.
    Sie bahnte sich ihren Weg durch den chaotischen Verkehr, eingehüllt in schwarze Abgaswolken von Bussen und Lastwagen.
    Sie mußte sich waschen, die Kleidung wechseln, einige Stunden schlafen. Doch sie wollte Lars Hakansson nicht begegnen. Sie suchte das Haus, in dem Lucinda wohnte. Sicher schlief sie nach ihrer langen Nacht in der Bar. Es war nicht zu ändern. Lucinda war die einzige, die ihr jetzt helfen konnte.
    Sie hielt am Straßenrand und rief noch einmal Arturs Nummer an. Sie dachte an etwas, was er einmal gesagt hatte.
    Weder der Teufel noch Gott will Konkurrenz. Deshalb landen wir Menschen in unserem einsamen Niemandsland.
    Sie hörte, daß er müde war. Sicher war er die ganze Nacht wach gewesen. Aber er würde es nie zugeben.
    Auch wenn er ihr verboten hatte zu lügen, so hatte er sich selbst das Recht eingeräumt, es zu tun. »Was ist passiert? Wo bist du?«
    »Das Auto ist plötzlich wieder angesprungen. Ich bin wieder in Maputo.«
    »Diese verfluchten Telefone!«
    »Die sind phantastisch.«
    »Willst du nicht bald zurückkommen?«
    »Bald. Aber noch nicht. Wir reden später miteinander. Mein Akku ist fast leer.«
    Sie beendete das Gespräch. Im gleichen Augenblick entdeckte sie Lucinda, die an der Hauswand stand, ein Handtuch um den Kopf gewickelt. Sie stieg aus und dachte, daß die lange Nacht endlich vorbei war.
    Lucinda sah sie fragend an. »So früh?«
    »Das sollte ich dich fragen. Wann bist du ins Bett gekommen?«
    »Ich schlafe nie sehr viel. Vielleicht bin ich immer müde? Ohne daß ich es merke?«
    Lucinda wies geduldig einige Kinder ab, die vielleicht ihre Geschwister oder Cousins oder Neffen und Nichten waren. Sie rief nach einem halbwüchsigen Mädchen, das ein paar Plastikstühle abwischte, die im Schatten an der Hauswand standen. Dann brachte sie Gläser und Wasser.
    Plötzlich bemerkte sie Louises Unruhe. »Es ist etwas passiert. Deshalb kommst du so früh.«
    Louise nahm sich vor, alles genau so zu sagen, wie es war. Sie erzählte von Christian Holloway und Umbi, dem Dunkel am Strand und der langen Nacht im Auto.
    »Sie müssen mich gesehen haben«, sagte Louise. »Sie müssen gehört haben, worüber wir gesprochen haben. Sie sind ihm gefolgt, und als sie erkannten, daß er im Begriff war, etwas zu verraten, haben sie ihn getötet.«
    Es war deutlich, daß Lucinda ihr glaubte, jedes Wort, jede Einzelheit. Als Louise geendet hatte, saß Lucinda lange da, ohne etwas zu sagen. Ein Mann begann auf ein Dachblech einzuhämmern, um eine Dachfuge zurechtzubiegen. Lucinda rief ihm etwas zu. Er hörte sofort auf, setzte sich in den Schatten eines Baums und wartete.
    »Bist du überzeugt, daß Henrik an der Erpressung von Christian Holloways Sohn beteiligt war?«
    »Ich weiß nichts Sicheres. Ich versuche, ruhig und klar und logisch zu denken. Aber nichts ist richtig greifbar. Nicht einmal in meinen unerträglichsten Phantasien kann ich mir Henrik als Erpresser vorstellen. Kannst du es?«
    »Natürlich nicht.« »Ich brauche einen Computer mit Internetzugang. Vielleicht kann ich diese Artikel finden. Vielleicht kann man sehen, ob es Christian Holloways Sohn war. Dann habe ich immerhin etwas gefunden, was zusammenhängt.«
    »Was hängt zusammen?«
    »Ich weiß nicht. Etwas hängt zusammen, ohne daß ich weiß, wie. Irgendwo muß ich anfangen. Ich fange immer wieder von vorn an, ein ums andere Mal.«
    Lucinda stand auf. »Es gibt hier in der Nähe ein Internetcafe. Ich war einmal mit Henrik da. Ich ziehe mich nur an, dann gehe ich mit dir.«
    Lucinda verschwand im Haus. Die Kinder standen da und sahen sie an. Sie lächelte. Die Kinder lächelten zurück. Louise kamen die Tränen. Die Kinder lächelten weiter.
    Als Lucinda zurückkam, hatte Louise sich die Tränen abgewischt. Sie

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