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Kennedys Hirn

Kennedys Hirn

Titel: Kennedys Hirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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erinnere mich nicht an ihn. Vielleicht war ich noch nicht vom Erzengel aufgesucht worden.«
    »Vom Erzengel?«
    »So nannten wir ihn. Woher er kam, weiß ich nicht. Aber er muß Christian Holloway sehr nahestehen. Ein freundlicher Mann mit kühlem Kopf, der in unserer eigenen Sprache zu uns sprach und uns das anbot, was uns am meisten fehlte.«
    »Was war das?«
    »Ein Weg aus der Armut. Unter Menschen wie Ihnen gibt es die Vorstellung, daß richtig armen Menschen ihr eigenes Elend nicht bewußt ist. Ich kann Ihnen versichern, daß das falsch ist. Der Erzengel sagte uns, er suche gerade uns auf, weil unser Leiden das größte und bitterste sei. Er ließ den Dorfältesten zwanzig Personen auswählen. Drei Tage später kam ein Lastwagen und holte sie. Ich war damals nicht dabei. Aber als er wiederkam, stellte ich mich ganz nach vorn und wurde einer der Auserwählten.«
    »Was war mit denen geschehen, die mit dem ersten Lastwagen weggefahren waren?«
    »Er erklärte, sie seien immer noch da und würden noch einige Zeit bleiben. Natürlich waren viele ihrer Angehörigen besorgt, weil sie so lange nichts gehört hatten. Als er fertig gesprochen hatte, gab er dem Ältesten eine große Geldsumme. So viel Geld hatte es in unserem Dorf noch nie gegeben. Es war, als wären tausend Grubenarbeiter nach vielen Jahren Arbeit in Südafrika zurückgekehrt und legten jetzt ihr gesamtes Erspartes auf eine Bastmatte vor unsere Augen. Einige Tage spater kam der zweite Lastwagen. Da war ich einer von denen, die auf die Ladefläche kletterten. Ich fühlte mich, als wäre ich einer der Auserwählten und könnte mich aus der Armut befreien, die mich bis in meine Träume hinein beschmutzte.«
    Er verstummte und horchte hinaus ins Dunkel. Louise hörte nur das Rauschen des Meeres und den einsamen Schrei eines Nachtvogels. Sie nahm eine vage Unruhe bei ihm wahr, ohne genau sagen zu können, was der Grund war.
    Er pfiff leise und horchte. Er erhielt keine Antwort. Louise kam die Situation plötzlich unwirklich vor. Warum saß sie hier am Feuer mit einem Mann, der ins Dunkel hineinpfiff? Ein  Dunkel, das sie nicht durchdringen konnte. Es war nicht nur das Dunkel des afrikanischen Kontinents, es war zugleich das große Dunkel in ihr selbst, das Henriks Grab und Arons Verschwinden umfaßte. Sie wollte laut schreien über alles, was um sie her geschah, was sie nicht verstand und was auch kein anderer zu verstehen schien.
    Eines Abends habe ich vor meinem Haus in der Argolis gestanden und geraucht. Von meinem Nachbarn drangen Hundegebell und Musik herüber. Der Sternenhimmel war vollkommen klar. Ich wollte nach Schweden reisen, um einen Vortrag über die Keramik und die Bedeutung des Eisenoxyds für die schwarze und die rote Farbe zu halten, ich stand dort in der Dunkelheit und hatte beschlossen, meine Beziehung mit Vassilis, meinem lieben Buchprüfer, zu beenden. Ich freute mich darauf, Henrik bald zu treffen, die Dunkelheit war mild, und der Rauch der Zigarette stieg gerade in die Stille auf. Jetzt, ein paar Monate später, ist mein Leben eine Ruine. Ich fühle nur Leere und Angst vor dem, was mich erwartet. Um es auszuhalten, versuche ich, meine Wut über das Geschehene anzunehmen. Vielleicht suche ich ganz tief in meinem Innern, ohne es mir einzugestehen, den oder die für Henriks Tod Verantwortlichen, um sie zu töten. Wer Henrik getötet hat, hat sich zum Tode verurteilt. Er ist nicht nur für Henriks Tod verantwortlich, sondern auch für meinen.
    Umbi erhob sich mühsam. Er drohte zu fallen. Louise wollte ihn stützen, aber er schüttelte abwehrend den Kopf.
    Er pfiff ein weiteres Mal, ohne eine Antwort zu erhalten. »Ich komme gleich zurück.«
    Er tat ein paar Schritte und war vom Dunkel verschluckt. Sie beugte sich vor und legte Holz aufs Feuer. Artur hatte sie gelehrt, wie man Feuer macht und unterhält. Es war eine Kunst, die nur Menschen beherrschen, die in ihrem Leben wirklich gefroren haben. Auch Henrik hatte er zu einem
    Feuerbauer ausgebildet. Es war, als hätte sie in ihrem Leben standig flammende Feuer um sich gehabt. Sogar Aron war manchmal mit Kaffeekanne und Rucksack in den Wald gestürmt und hatte sie gezwungen mitzukommen, wenn er wieder einmal die Computer zerschlagen und in die Wildnis verschwinden wollte, um ein anderes Leben zu führen.
    Feuer brannten entlang ihres Lebenswegs. Ohne Feuerholz und Liebe würde sie nicht weiterleben können.
    Umbi war immer noch im Dunkel verschwunden. Angst beschlich sie. Die Antwort auf

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