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Kennedys Hirn

Kennedys Hirn

Titel: Kennedys Hirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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ausgebreitet. Lucinda kaufte ein paar Apfelsinen, bevor sie hineingingen. Louise versuchte, sie zurückzuhalten.
    »Nicht jetzt, wir sprechen später darüber. Ich mußte dir die Wahrheit sagen.«
    »Wie hat Henrik erfahren, daß er krank war?«
    »Ich habe ihn danach gefragt. Aber er hat nie geantwortet. Ich kann nicht mehr sagen als das, was ich weiß. Aber als ihm klar wurde, daß er mich angesteckt hatte, war er vollkommen niedergeschmettert. Er redete davon, sich das Leben zu nehmen. Mir gelang es, ihn davon zu überzeugen, daß er schuldlos war, wenn er nichts gewußt hatte. Das einzige, was ich wirklich wissen wollte, war, ob er hätte wissen müssen, daß er infiziert war. Er verneinte das. Dann versprach er mir, dafür zu sorgen, daß ich alle Medikamente erhielte, die es gibt, um die Krankheit aufzuhalten. Ich bekam fünfhundert Dollar im Monat. Die bekomme ich immer noch.«
    »Woher kommt das Geld?«
    »Ich weiß es nicht. Es wird bei einer Bank eingezahlt. Er versprach mir, daß ich, falls ihm etwas passierte, das Geld noch weitere fünfundzwanzig Jahre bekommen sollte. Das Geld kommt pünktlich auf ein Bankkonto, das er für mich eingerichtet hat, am achtundzwanzigsten jeden Monats. Es ist, als lebte er noch. Es kann auf jeden Fall nicht sein Geist sein, der einmal im Monat die Überweisung vornimmt.«
    Louise rechnete im Kopf nach. Jährlich sechstausend Dollar für fünfundzwanzig Jahre ergab eine schwindelerregende Summe, 150 000 Dollar, ungefähr eine Million schwedische Kronen. Henrik mußte als reicher Mann gestorben sein.
    Sie blickte durchs Fenster in das Internetcafe. Hatte er sich trotz allem das Leben genommen ?
    »Du mußt ihn gehaßt haben.«
    »Ich kann nicht hassen. Was geschieht, ist vielleicht vorherbestimmt.«
    »Henriks Tod war nicht vorherbestimmt.«
    Sie traten ein und ließen sich einen freien Computer zuweisen. An den anderen Tischen saßen junge Leute in Schuluniformen und studierten unter konzentriertem Schweigen ihre Bildschirme. Obwohl der Raum klimatisiert war, herrschte eine feuchte Wärme. Lucinda wurde wütend, weil der Bildschirm schmutzig war. Als der Inhaber kam, um ihn abzuwischen, riß sie den Lappen an sich und tat es selbst.
    »In all den Jahren des Kolonialismus haben wir gelernt, immer nur das zu tun, was uns gesagt wurde. Jetzt sind wir langsam soweit, daß wir lernen, selbst zu denken. Aber es gibt immer noch vieles, was wir nicht zu tun wagen. Zum Beispiel einen Bildschirm abzuwischen.«
    »Du hast gesagt, du wärst einmal mit Henrik hiergewesen?«
    »Er suchte nach etwas. Es handelte sich um China.«
    »Glaubst du, du kannst es wiederfinden?«
    »Vielleicht. Wenn ich nachdenke. Tu zuerst das, was du tun wolltest. Ich bin bald wieder da. Das Malocura funktioniert nicht von selbst. Ich habe eine Stromrechnung, die bezahlt werden muß.«
    Lucinda trat hinaus in die starke Sonne. Unter Louises dünnem Hemd rann der Schweiß. Sie roch ihren Armschweiß. Wann hatte sie sich zuletzt gewaschen? Sie ging ins Internet, versuchte, sich daran zu erinnern, was Aron und sie in Barcelona gemacht hatten. Sie wußte noch die Namen der Zeitungen, nicht aber, in welcher sie was gelesen hatte. Die Artikel waren 1999 und 2000 erschienen, dessen war sie sicher. Zuerst suchte sie im Archiv der Washington Post. Darin fand sie weder etwas über einen Steve Nichols noch über einen Steve Holloway. Sie wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht und loggte sich ins Archiv der New York Times ein. Nach einer halben Stunde hatte sie alles für das Jahr 1999 kontrolliert. Sie suchte weiter für 2000. Fast sofort stieß sie auf den Artikel, den sie in Henriks spanischem Computer gefunden hatten. »Ein Mann namens Steve Nichols hat sich das Leben genommen, nachdem er erpreßt worden war. Die Erpresser hatten damit gedroht, seine HIV-Infektion und die Umstände, unter denen er sich angesteckt hatte, öffentlich zu machen.« Louise las den Artikel gründlich, ging verschiedenen Verweisen nach, fand jedoch nichts, was Steve Nichols mit Christian Holloway verband.
    Sie ging zur Theke und kaufte eine Flasche Wasser. Aufdringliche Fliegen summten um ihr schweißnasses Gesicht. Sie leerte die Flasche und kehrte zum Computer zurück. Sie begann, nach Christian Holloway zu suchen, fand verschiedene Portale von Organisationen, die mit Aidskranken arbeiteten. Sie wollte schon aufgeben, als der Name Steve Nichols wieder auftauchte. Es gab auch ein Foto eines jungen Mannes mit Brille, einem kleinen Mund und

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