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Kennedys Hirn

Kennedys Hirn

Titel: Kennedys Hirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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sein Pfeifsignal war ausgeblieben.
    Plötzlich war sie überzeugt davon, daß Gefahr drohte. Sie stand auf und zog sich hastig aus dem Lichtschein des Feuers zurück. Etwas war passiert. Sie hielt den Atem an und lauschte. Alles, was sie hörte, war ihr eigenes Herz. Sie zog sich noch weiter zurück. Das Dunkel, das sie umgab, war ein Meer. Sie tastete sich zurück in Richtung des Hotels.
    Sie stolperte über etwas Weiches, das auf der Erde lag. Ein Tier, dachte sie, als sie zusammenschrak. In der Tasche suchte sie nach einer Streichholzschachtel. Als das Streichholz aufflammte, sah sie, daß es Umbi war. Er war tot. Seine Kehle war durchschnitten, der Kopf war fast vom Körper abgetrennt.
    Louise lief davon. Zweimal stolperte sie und fiel.
    Als sie die Tür zu ihrem Zimmer öffnete, merkte sie sofort, daß jemand hier gewesen war. Ein Paar Strümpfe lag nicht da, wo sie es hingelegt hatte. Die Badezimmertür war angelehnt, obwohl sie fast sicher war, sie geschlossen zu haben. War noch jemand im Badezimmer? Sie öffnete die Tür zum Gang und machte sich bereit zu fliehen, bevor sie es wagte, die Badezimmertür mit dem Fuß aufzustoßen. Niemand war da.
    Aber jemand beschattete sie. Umbi und seine Freunde hatten nicht alles gesehen, was sich im Dunkel verbarg. Deshalb war Umbi tot.
    Die Angst überkam sie wie eine lähmende Kälte. Sie warf ihre Sachen in den Koffer und verließ das Zimmer. Der Nachtportier schlief auf einer Matratze hinter dem Empfangspult. Er schoß mit einem Schreckens seh rei hoch, als sie rief, er solle aufwachen. Sie bezahlte ihre Rechnung, schloß den Wagen auf und fuhr davon. Erst als sie Xai-Xai hinter sich gelassen und sich vergewissert hatte, daß keine Autoscheinwerfer im Rückspiegel zu sehen waren, gewann sie die Kontrolle über sich selbst zurück.
    Sie wußte jetzt, wo sie den Namen Steve gelesen hatte.
    Aron hatte vor Henriks Computer gesessen, und sie hatte sich über seine Schulter gebeugt. Es war ein Artikel aus der New York Times über einen Mann namens Steve Nichols, der Selbstmord begangen hatte, nachdem er erpreßt worden war. Steve Nichols, nicht Steve Holloway. Aber er hatte bei seiner Mutter gewohnt. Ihr Name konnte Nichols sein.
    Die Stücke, die sie hatte, begannen sich zu etwas zu formen, das sie nicht erwartet hatte.
    Konnte Henrik ermordet worden sein, weil er Steve Nichols in den Tod getrieben hatte? War der Mord als Selbstmord kaschiert worden, als grausamer Gruß dessen, der Rache genommen hatte?
    Sie schlug aufs Lenkrad ein und schrie in die Dunkelheit hinaus nach Aron. Jetzt brauchte sie ihn mehr denn je. Aber er antwortete nicht.
    Als sie merkte, daß sie viel zu schnell fuhr, nahm sie den Fuß vom Gas.
    Sie floh, um zu überleben. Nicht, um sich auf einer dunklen Landstraße auf dem unendlichen afrikanischen Kontinent zu Tode zu fahren.
    I rgendwann streikte der Motor. Sie trat und trampelte aufs Gaspedal, um den Wagen zum Weiterfahren zu zwingen. Die Benzinuhr stand auf halbvoll, die Temperaturanzeige war im grünen Bereich.
    Todesursache unbekannt, dachte sie in einer Mischung aus Wut und Furcht. Die verdammte Kiste gibt den Geist auf, wenn ich sie am dringendsten brauche.
    Sie blieb in der Dunkelheit. Nirgendwo konnte sie ein Licht erkennen. Sie wagte nicht, das Wagenfenster zu öffnen, geschweige denn die Tür. Sie war in dem toten Auto gefangen, sie mußte bleiben, bis jemand kam, der ihr helfen konnte.
    Im Rückspiegel suchte sie aufmerksam nach Anzeichen, daß jemand sich im Dunkeln näherte. Die Gefahr war hinter ihr, nicht vor ihr. Ein ums andere Mal versuchte sie, den Wagen anzulassen, doch der Anlasser mühte sich vergebens. Schließlich schaltete sie die Scheinwerfer ein und zwang sich auszusteigen.
    Das Schweigen warf sich über sie. Als hätte jemand ihr eine Decke über den Kopf geworfen. Sie war von einem unendlichen und lautlosen Nichts umgeben. Das einzige, was sie hören konnte, waren ihre eigenen Atemzüge. Sie sog Luft in sich hinein, als wäre sie vollständig ausgepumpt.
    Ich laufe. Die Angst jagt mich. Diejenigen, die Umbi die Kehle durchgeschnitten haben, sind ganz dicht bei mir.
    Sie fuhr zusammen und wandte sich um. Es war niemand da. Es gelang ihr, die Motorhaube zu öffnen. Sie starrte in eine unbekannte Welt.
    Sie erinnerte sich an etwas, was Aron gesagt hatte, mit seinem verächtlichsten Tonfall,ganz am Anfang ihrer Ehe. »Wenn du nicht das Notwendigste darüber lernst, wie ein Automotor funktioniert und was du selbst reparieren

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