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Kennedys Hirn

Kennedys Hirn

Titel: Kennedys Hirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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du auf jeden Fall ganz sicher. Niemand wird dich berauben. Du kannst am Strand entlangwandern, ohne Angst zu haben.«
    »Ich komme morgen zurück.«
    »Falls du nicht beschließt, länger zu bleiben.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Wer weiß?«
    Die Passagiere gingen durch die drückende Hitze zum Flugzeug. Louise wurde schwindelig und sie fürchtete zu fallen. Sie sog tief die Luft ein und griff nach dem Geländer der Flugzeugtreppe. Sie setzte sich ganz nach hinten. Schräg vor ihr saß der Mann mit dem aufgeschlagenen Buch.
    Hatte sie ihn schon einmal gesehen? Das Gesicht war ihr fremd, aber ihr war, als erkenne sie seinen Rücken wieder. Ihre Angst kam aus dem Nichts. Ich bilde mir etwas ein, dachte sie. Es gab keinen Grund, Angst vor dem Mann zu haben. Es war nur eine Verirrung in der Tiefe ihres Gehirns.
    Die Maschine hob ab und flog eine Schleife über die weiße Stadt, bevor sie Kurs aufs Meer hinaus nahm. Tief unter sich konnte sie Fischerboote mit dreieckigen Segeln sehen, die in den Wellen unbeweglich zu sein schienen. Die Maschine ging fast sofort wieder in den Sinkflug über, und fünf Minuten nach dem Start setzten die Räder auf der Landebahn von In-haca auf. Sie war sehr kurz, der Asphalt war aufgebrochen, und Pflanzen hatten in den Rissen Wurzeln geschlagen.
    Louise trat in die Hitze hinaus. Auf einem Traktoranhänger wurden sie und der Mann mit dem Buch zum Hotel befördert. Die Frau mit dem Kind verschwand zu Fuß im hohen Gras. Der Mann blickte von seinem Buch auf und lächelte sie an. Sie lächelte zurück.
    Im Hotel fragte sie den jungen Mann an der Rezeption, ob er Ze heiße.
    »Ze hat heute frei. Morgen ist er wieder da.«
    Sie spürte eine ungeduldige Enttäuschung, schüttelte sie aber sofort wieder ab. Sie wollte ihre Kräfte schonen und sich nicht ärgern.
    Sie wurde zu ihrem Zimmer geführt, leerte die Plastiktüte und streckte sich auf dem Bett aus. Aber sie hielt es nicht aus, dort zu liegen. Sie ging zum Strand hinunter. Es war Ebbe. Einige verrottete Fischerboote lagen wie gestrandete Wale auf der Seite im Sand. Sie watete durchs Wasser, sah weit draußen im Sonnendunst eine Gruppe von Männern, die Netze zogen.
    Mehrere Stunden watete sie in dem warmen Wasser umher. Ihr Kopf war völlig leer.
    In der Dämmerung aß sie im Hotelrestaurant zu Abend. Sie entschied sich für Fisch, bestellte Wein dazu und war angetrunken, als sie in ihr Zimmer zurückging. Im Bett wählte sie die Nummer von Arons Handy. Die Signale verhallten, ohne daß sich jemand meldete. Sie schrieb ihm eine Nachricht: » Ich könnte dich jetzt brauchen«, und sandte sie ab. Es war, als sendete sie eine Mitteilung in einen Kosmos hinaus, ohne je zu erfahren, ob sie den Empfänger erreichte.
    Sie schlief ein, schreckte aber kurz danach wieder hoch. Ein Geräusch hatte sie geweckt. Sie horchte ins Dunkel hinaus. War das Geräusch von ihr selbst gekommen? Hatte sie geschnarcht und sich selbst geweckt? Sie knipste die Nachttischlampe an. Es war elf Uhr. Sie ließ die Lampe brennen, rückte die Kissen zurecht und sah ein, daß sie hellwach war. Das Gefühl des Rauschs war verflogen.
    Eine Erinnerung tauchte in ihrem Kopf auf. Es war eine Zeichnung, die Henrik in seiner schwierigsten Zeit als Teenager gemacht hatte. Er war unerreichbar gewesen, hatte sich in eine unsichtbare Höhle verkrochen, zu der sie keinen Zutritt hatte. Sie hatte ihre eigene Teenagerzeit verabscheut, eine
    Zeit mit Pickeln und Komplexen, mit Selbstmordgedanken und weinerlichem Zorn über die Ungerechtigkeit der Welt. Henrik war das Gegenteil von ihr, er hatte alles nach innen gewendet. Aber eines Tages hatte er seine Hohle verlassen und wortlos eine Zeichnung auf den Frühstückstisch gelegt. Das ganze Papier war blutrot eingefärbt, über den unteren Teil der Zeichnung wuchs ein schwarzer Schatten herauf. Das war alles. Er hatte das Bild nie erklärt, auch nicht, warum er es ihr gegeben hatte. Aber sie glaubte, daß sie es verstanden hatte.
    Leidenschaft und Verzweiflung, die ständig kollidierten, der Zweikampf, der am Ende, wenn das Leben vorbei war, keinen Sieger gehabt hätte.
    Die Zeichnung hatte sie aufbewahrt. Sie lag in einer alten Kleiderkiste zu Hause bei Artur.
    Hatte Henrik Aron jemals Zeichnungen geschickt? Das war noch eine der vielen Fragen, die sie ihm hätte stellen mögen.
    Die Klimaanlage rauschte schwach, ein Insekt mit vielen Beinen bewegte sich langsam und methodisch verkehrt herum an der Decke.
    Wieder einmal versuchte sie,

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