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Kennedys Hirn

Kennedys Hirn

Titel: Kennedys Hirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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für unerwartete Dinge interessieren. Als Neunjähriger hatte er davon gesprochen, aus der Schule abzuhauen und zu den Wildpferden in den Steppen Kirgisiens zu fahren. Aber damals war er zu Hause geblieben, weil er sie nicht allein lassen wollte. Bei anderer Gelegenheit hatte er voller Überzeugung verkündet, er wolle Seemann werden und die Kunst des Einhandsegelns erlernen. Doch nicht, um in kürzester Zeit um den Erdball zu segeln oder zu beweisen, daß er überleben konnte. Sein Traum war, sich zehn, vielleicht zwanzig Jahre an Bord eines Bootes zu befinden, ohne jemals an Land zu gehen.
    Sie fühlte die Trauer. Henrik war nie ein Segler geworden, auch kein Mensch, der in den kirgisischen Steppen wilde Pferde suchte. Aber er war auf dem Weg dazu gewesen, ein guter Mensch zu werden, bevor jemand ihm den Schlafanzug als Verkleidung des Todes angezogen hatte.
    Sie war jetzt unten am Strand. Es war Flut, die Wellen rollten an Land. Das Dunkel verschluckte die Konturen der auf den Strand gezogenen Fischerboote. Sie zog die Sandalen aus und ging bis ans Wasser. In der Wärme fühlte sie sich zurückversetzt auf die Peloponnes. Wie eine kräftige Welle schwappte es über sie, eine Sehnsucht zurück zu ihrer Arbeit in den staubigen Grabungsstätten, zu den Arbeitskollegen, den neugierigen, aber nachlässigen Studenten, den griechischen Freunden. Sie sehnte sich danach, in der Dunkelheit vor Mitsos' Haus zu stehen und eine ihrer nächtlichen Zigaretten zu rauchen, während die Hunde bellten und das Grammophon seine wehmütige griechische Musik spielte.
    Ein Krebs lief ihr über einen Fuß. In der Ferne erkannte sie die Lichter von Maputo. Wieder kam Aron zu ihr: Licht kann über dunkle Wasser lange Strecken wandern. Stell dir das Licht als einen Wanderer vor, der sich entfernt oder dir immer näher kommt, Im Licht findest du deine Freunde wie deine Feinde.
    Aron hatte noch mehr gesagt, doch der Gedanke wurde unterbrochen.
    Sie hielt den Atem an. Jemand war dort im Dunkeln, jemand, der sie beobachtete. Sie blickte sich um. Dunkel, das Licht der Bar unendlich weit entfernt. Sie hatte Todesangst, ihr Herz hämmerte. Jemand war da und sah sie an.
    Sie begann zu schreien, brüllte geradewegs ins Dunkel hinein, bis sie Taschenlampen sah, die sich vom Hotel zum Strand herunterbewegten. Als sie von den Lichtkegeln eingefangen wurde, fühlte sie sich wie ein Tier.
    Es waren zwei Männer, die kamen, der sehr junge Angestellte aus der Rezeption und ein Kellner aus der Bar. Sie fragten, warum sie geschrien habe, ob sie sich verletzt habe oder von einer Schlange gebissen worden sei.
    Sie schüttelte nur den Kopf, nahm dem jungen Mann die Taschenlampe aus der Hand und leuchtete den Strand ab. Niemand war da. Doch es war jemand dagewesen. Sie fühlte es.
    Sie kehrten zum Hotel zurück. Der junge Mann vom Empfang begleitete sie zu ihrem Zimmer. Sie legte sich ins Bett und machte sich darauf gefaßt, bis zum Morgen wach zu bleiben. Aber es gelang ihr einzuschlafen. Im Traum flogen die roten Papageien aus Apollo Bay herbei. Es waren viele, ein großer Schwärm, und ihr Flügelschlag war vollkommen lautlos.
    A ls sie zum Frühstück ins Restaurant hinunterkam, verdeckte ein feuchter Dunst den Himmel. In der Rezeption stand ein Mann, den sie vorher nicht gesehen hatte. Sie fragte ihn, ob er Ze sei.
    »Jose«, erwiderte er. »Abgekürzt zu Ze.«
    Louise erwähnte Lucinda und fragte, ob es auf der Insel jemanden gebe, der Bilder male.
    »Das kann nur Adelinho sein. Niemand sonst auf der Insel malt. Niemand sonst bestellt Pakete mit Farben aus Maputo. Vor vielen Jahren hat er seine Farben noch selbst aus Wurzeln, Blättern und Erde zusammengerührt. Es sind seltsame Bilder, Delphine, tanzende Frauen, manchmal verzerrte Gesichter, die den Menschen Beklemmungen verursachen können.«
    »Wo wohnt er?«
    »Es ist zu weit, um zu gehen. Aber Ricardo, der Sie am Flugplatz abgeholt hat, kann Sie für ein kleines Entgelt hinfahren.«
    »Ich möchte Adelo gern besuchen.«
    »Adelinho. Sie müssen seinen Namen lernen. Er ist ein bißchen hochmütig geworden, seit seine Bilder gefragt sind. Ich werde Ricardo bitten, in einer Stunde hierzusein.«
    »Eine halbe Stunde reicht mir fürs Frühstück.«
    »Aber sie reicht Ricardo nicht. Er legt Wert darauf, daß sein alter Jeep sauber gewaschen ist, wenn er den Auftrag bekommt, mit einer schönen Frau einen Ausflug zu machen. In einer Stunde wartet er hier draußen.«
    Louise frühstückte im Schatten eines

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