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Kennedys Hirn

Kennedys Hirn

Titel: Kennedys Hirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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in dem Hirn verborgen haben? Hatte Henrik allen Ernstes geglaubt, daß es möglich wäre, Abdrücke von Gedanken, von Erinnerungen, von dem zu finden, was andere Menschen zum mächtigsten Mann der Welt gesagt hatten, bevor die Kugel aus einem Gewehr seinen Kopf explodieren ließ? Gab es vielleicht in führenden militärischen Laboratorien schon Instrumente, um erloschene Gehirne zu lesen, genauso wie man gelöschten Festplatten noch Informationen entnehmen konnte?
    Ihre Gedanken hielten plötzlich inne. Hatte Henrik etwas gefunden, wonach er bewußt gesucht hatte? Oder war er zufällig über etwas gestolpert?
    Bei der Arbeit am Computer geriet sie ins Schwitzen, obwohl die Klimaanlage lief. Celina hatte ihr Zimmer aufgeräumt und ihre schmutzige Wäsche mitgenommen. Sie wechselte die Kleidung und zog ein hemdartiges Baumwollkleid an. Währenddessen hörte sie, wie Celina sich in der Küche mit jemandem unterhielt. Konnte Lars Hakansson zurückgekommen sein?
    Celina kam die Treppe herauf. »Besuch. Dieselbe Person wie gestern.«
    Lucinda war müde. Celina hatte ihr ein Glas Wasser gegeben.
    »Ich bin gar nicht nach Hause gekommen heute nacht. Eine Gruppe italienischer Straßenbauarbeiter hat das Malocura okkupiert. Die Bar konnte ihrem Namen wirklich einmal Ehre machen. Sie tranken heftig und torkelten erst im Morgengrauen davon.«
    »Was bedeutet >Malocura    »>Wahnsinn<. Die Bar wurde von einer Frau aufgemacht, Dolores Abreu. Es muß Anfang der sechziger Jahre gewesen sein, noch vor meiner Geburt. Sie war groß und dick, eine der kraftvollen Huren aus jener Zeit, die darauf achteten, daß die Ausübung ihres Berufs das Familienleben nicht beeinträchtigte. Dolores war mit einem schüchternen kleinen Mann namens Nathaniel verheiratet. Er spielte Trompete und soll einer der Musiker gewesen sein, die in den fünfziger Jahren hier in der Stadt den populären Tanz >Marrabenta< erfanden. Dolores hatte feste Kunden aus Johannesburg und Pretoria. Es war in der goldenen Ära der Heuchelei. Weiße Südafrikaner konnten sich aufgrund der Rassengesetze keine schwarzen Huren kaufen. Sie mußten sich in den Zug oder ins Auto setzen und hierherkommen, um die schwarzen Muschis zu schmecken.«
    Lucinda unterbrach sich und sah Louise lächelnd an.
    »Ich hoffe, du entschuldigst meine Ausdrucksweise.«
    »Was Frauen zwischen den Beinen haben, wird in vielen Sprachen Muschi oder ähnlich genannt. Als ich jung war, wäre ich vielleicht schockiert gewesen. Aber jetzt nicht mehr.«
    »Dolores war sparsam und legte eine Summe Geld zurück, kaum so viel, daß man von einem Vermögen sprechen könnte, aber genügend, um in diese Bar zu investieren. Es soll ihr Mann gewesen sein, der auf den Namen kam. Er meinte, sie würde bei diesem aussichtslosen Unternehmen ihr ganzes Geld verlieren. Aber es ging gut.«
    »Wo ist sie jetzt?«
    »Sie liegt mit Nathaniel zusammen auf dem Friedhof Lhan-guene. Die Kinder erbten die Bar, zerstritten sich sofort und verkauften sie an einen chinesischen Arzt, der sie infolge einer komplizierten Kredittransaktion an einen portugiesischen Tuchhändler verlor. Vor einigen Jahren wurde sie von der Tochter des Finanzministers gekauft, die aber nie dagewesen ist. Es ist zu tief unter ihrer Würde. Sie verbringt den größten Teil ihrer Zeit damit, in Paris in teuren Geschäften Kleider zu kaufen. Wie heißt das feinste?«
    »Dior?«
    »Dior. Ihre beiden Töchter sollen Kleider von Dior tragen. Und unterdessen hungert das Land. Sie schickt jeden zweiten Tag einen ihrer Untergebenen in die Bar, um Geld zu holen.«
    Lucinda rief nach Celina, die kam und ihr Wasserglas auffüllte.
    »Ich bin hergekommen, weil mir heute nacht etwas eingefallen ist. Als die Italiener völlig betrunken waren und mich am ganzen Körper begrapschten, bin ich hinausgegangen und habe eine Zigarette geraucht. Ich betrachtete die Sterne. Da fiel mir ein, daß Henrik einmal gesagt hat, der Sternenhimmel über Inhaca sei so klar wie der, den er hoch oben im Norden von Schweden gesehen habe.«
    »Wo?«
    »Inhaca. Eine Insel draußen im Indischen Ozean. Er sprach oft darüber. Vielleicht war er mehrmals da. Die Insel war für ihn etwas Besonderes. Plötzlich fiel mir ein, daß er einmal etwas gesagt hat, was wichtig sein könnte. Er sagte: Ach kann mich immer auf Inhaca Versteckens Ich erinnere mich genau an seine Worte. Manchmal hat er das, was er sagte, sehr genau vorbereitet. Dies hier war ein solcher Augenblick.«
    »Was hat er auf Inhaca

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